Entscheidend kommt es darauf an, wie man am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne sich und andere zu gefährden. Ist mit einem künstlichen Kniegelenk die Geh- und Standsicherheit erheblich beeinträchtigt, kann man einen Schwerbehindertenausweis erhalten. Auch hat man einen Anspruch auf das „Merkzeichen G“, entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (AZ: L 13 SB 73/13).
Dies hat erhebliche Auswirkungen, so die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Man hat Anspruch auf unentgeltliche Beförderung oder kann alternativ eine Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer um 50 Prozent beanspruchen. Auch Parkerleichterungen sind möglich, allerdings meist ohne die Möglichkeit, auf Parkplätzen für Behinderte zu parken.
Schwerbehinderung nach künstlichem Kniegelenk
Ein Arzt stellte bei dem 1950 geborenen Betroffenen trotz eines künstlichen Kniegelenks erhebliche Probleme der Knie-Funktionsfähigkeit fest. Er diagnostizierte eine anhaltende Reizkniebildung und eine Teilversteifung mit der Folge einer Beeinträchtigung der Geh- und Standsicherheit. Der Mann beantragte die Anerkennung eines Schwerbehinderten mit dem „Merkzeichen G“. Letzteres wurde ihm versagt, auch in der ersten Instanz vor Gericht.
Urteil: Anspruch auf Schwerbehindertenausweis und „Merkzeichen G“
Die zweite Instanz sah das anders: Der Kläger ist erheblich beeinträchtigt und ihm ist das „Merkzeichen G“ als Schwerbehindertem zuzugestehen, entschieden die Richter. Einen solchen Anspruch habe, wer in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr nicht zurückzulegen vermöge, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, komme es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an. Entscheidend sei, welche Wegstrecken allgemein – das heißt, altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt würden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gelte eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in rund einer halben Stunde zurückgelegt werde (Bundessozialgericht; AZ: BSGE 62, 273). Laut Gutachter sei dem Kläger diese Wegstrecke nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten möglich. Auch wenn dies allein nicht ausreiche, liege eine ausreichende Behinderung des Gehvermögens vor.
Für das Gericht steht fest: „Das menschliche Gehvermögen ist keine statische Messgröße, sondern wird von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert.“ Daran gemessen sei dem Kläger die ortsübliche Wegstrecke "infolge einer Einschränkung des Gehvermögens" nicht möglich. Das Gericht wurde von einem Sachverständigen überzeugt. Nach dessen Gutachten wirkt sich die aus der Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenks folgende wesentliche Gang- und Standunsicherheit auf die Gehfähigkeit des Mannes aus.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 28. November 2014 (AZ: L 13 SB 73/13)
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- red/dpa