Jobcenter müssen die Heizkosten eines Hartz-IV-Empfängers mit Hilfe des „bundesweiten Heizspiegels" berechnen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Der „Heizspiegel“ basiert auf bundesweit erhobenen Heizdaten von rund 63.000 zentral beheizten Wohngebäuden und wird seit 2005 jährlich veröffentlicht.
Daraus ergeben sich Vergleichswerte für öl-, erdgas- und fernwärmebeheizte Wohnungen, gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden Wohnfläche, die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen „optimal", „durchschnittlich", „erhöht" und „extrem hoch" unterscheiden.
Die Stadt Heilbronn verwandte ein selbst entwickeltes Computerprogramm „Heikos 2.0" für die Berechnung der notwendigen Heizkosten. Bis jetzt, denn nun hat das Sozialgericht Heilbronn am 23. Juni 2016 (AZ: S 15 AS 2759/12) dem Programm eine Absage erteilt, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Darüber hinaus hatte das Jobcenter weitere Gesichtspunkte nicht berücksichtigt.
Jobcenter: Übernahme der Heizkosten für alleinerziehende Hartz IV-Empfängerin
Der Fall im Einzelnen: Eine 35-jährige Alleinerziehende zog nach der Trennung von ihrem Lebenspartner zusammen mit ihrem damals zweijährigen Sohn im März 2011 in eine rund 70 Quadratmeter große Wohnung in Heilbronn. Diese wird mit Öl beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgt über die Heizungsanlage.
Das Jobcenter der Stadt Heilbronn bewilligte in der Folgezeit Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II („Hartz IV"). Mit Verweis auf ihr Computerprogramm „Heikos 2.0" lehnte es aber ab, eine Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011 von rund 730 Euro zu übernehmen. Gegen die Nichtübernahme der Kosten richtete sich die Klage der Frau.
Hartz IV: Klage auf Übernahme der Heizkosten durch Jobcenter erfolgreich
Sie war vor Gericht erfolgreich. Das Jobcenter musste die Nachzahlung der Heizkosten übernehmen. Diese Entscheidung hatte mehrere Gründe:
1. Das vom Jobcenter zur Berechnung der angemessenen Heizkosten herangezogene Programm „Heikos 2.0" ist ungeeignet, die Kosten im Einzelfall zu bestimmen. Bei dem Programm handelt es sich um ein von der Stadt Heilbronn entwickeltes Modell zur Berechnung angemessener Heizkosten. „Heikos 2.0" erfasst nicht den konkreten Wärmebedarf einer Wohnung, sondern legt unzulässigerweise pauschale Werte eines idealen Heizverhaltens zugrunde. Stattdessen muss der erwähnte bundesweite „Heizspiegel" für die Feststellung der angemessenen Heizkosten zu Grunde gelegt werden.
2. Die Zugehörigkeit eines Kleinkinds zum Haushalt muss berücksichtigt werden.
Selbst wenn vorliegend – bei isolierter Betrachtung des Warmwasserverbrauchs – womöglich der zugrunde zu legende Vergleichswert überschritten wird, ist dies aufgrund der Zugehörigkeit eines Kleinkinds zum Haushalt gerechtfertigt.
Das Jobcenter muss aufklären: Die Frau konnte selbst dann die Übernahme diese Kosten verlangen, wenn man davon ausgeht, dass die Heiz- und Warmwasserkosten unangemessen waren. Das Jobcenter hatte sie nämlich vorher nicht über ihre Verpflichtung aufgeklärt, diese Kosten zu senken (so genannte Kostensenkungsaufforderung). Über die Hälfte der Klagen gegen Entscheidungen der Jobcenter bei Hartz IV sind erfolgreich. DAV-Sozialrechtsanwältinnen und -anwälte helfen, berechtigte Ansprüche durch zu setzen.
- Datum
- Autor
- red/dpa