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Jobcenter

Hartz IV: Verstößt Datenab­gleich gegen Grundrechte?

Daten abgleichen - verstoßen Jobcenter damit gegen den Datenschutz? © Quelle: Eltinger/corbisimages.de

Auf der Suche nach „Sozial­be­trügern“ gleichen Jobcenter die Daten von Hartz IV-Empfängern regelmäßig mit denen anderer Behörden ab. Doch ist diese Praxis mit den Grundrechten und dem Datenschutz vereinbar? Mit dieser Frage hat sich heute das Bundes­so­zi­al­gericht befasst.

In Jobcentern gehört es zur Routine, die Daten von Hartz IV-Empfängern mit denen anderer staatlicher Stellen wie der Deutschen Renten­ver­si­cherung oder der gesetz­lichen Unfallkasse abzugleichen. Mit dieser Praxis wollen die Jobcenter Menschen aufspüren, die Hartz IV beziehen und nebenher arbeiten, Einkommen beziehen oder Vermögen besitzen, dies dem Jobcenter aber verheim­lichen. Die Jobcenter führen solche Datenab­gleiche mit verschiedenen Behörden durch.

Doch das wollen nicht alle Menschen hinnehmen. Zumindest hat das Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) heute die Klage eines Hartz IV-Empfängers verhandelt, der sich gegen den regelmäßigen Abgleich seiner Daten mit denen des Bundes­zen­tralamtes für Steuern wehren wollte, also gegen die damit verbundene regelmäßige Ermittlung von Kapital­erträgen (AZ: B 4 AS 39/14 R).

Diese haben die obersten deutschen Sozial­richter heute aber bestätigt. Es gebe keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken dagegen, so die Erfurter Richter. Die Richter sind heute davon ausgegangen, dass „die Regelungen den verfas­sungs­recht­lichen Anforde­rungen an die Normen­klarheit genügen, weil der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in das Recht auf informa­tionelle Selbst­be­stimmung in der Ermäch­tigung ausreichend bestimmt festgelegt sind", wie es in einer Presse­mit­telung des BSG heißt.

Verstoßen Datenab­gleiche der Jobcenter gegen Grundrechte von Hartz IV-Empfängern?

Der Kläger hatte laut einer Presse­mit­teilung des BSG seine Klage so begründet: „Fraglich sei, ob der automa­ti­sierte Datenab­gleich in der konkreten Häufigkeit geeignet sei, nach einer erstmaligen Abfrage für die Vergan­genheit noch weitere, neue Erkenntnisse zu bringen. Eine Verhält­nis­mä­ßigkeit sei nicht mehr gegeben, weil §52 [...] ein ‘dauerhaftes Ermitteln ins Blaue hinein‘ ermögliche.“

Über seinen eigenen Fall hinaus argumen­tierte der Kläger für alle Hartz IV-Bezieher. So heißt es in der Presse­mit­teilung weiter: „Die quartals­mäßige Abfrage aller Leistungs­be­zieher falle in den Bereich der anlasslosen Routine­abrufe, die unzulässig sei. Auch verstoße die gesetzliche Grundlage dieser automa­ti­sierten Abfragen gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf informa­tionelle Selbst­be­stimmung“.

Unter der informa­tio­nellen Selbst­be­stimmung versteht man das sich aus dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht ergebende Recht, als Mensch selbst darüber zu entscheiden und zu bestimmen, welche der persön­lichen Daten erhoben, gespeichert, verwendet und weiter­gegeben werden dürfen. Die persön­lichen Daten eines Menschen unterliegen dem Datenschutz.

Rechts­grundlage für den automa­ti­sierten Datenab­gleich

Die Rechts­grundlage für die automa­ti­sierten Datenab­gleiche der Jobcenter ist Paragraph 52 des Sozial­ge­setz­buches II. Dass dieser Paragraph gegen Grundrechte verstößt und verfas­sungs­rechtlich bedenklich sein könnte, hatten bereits die Vorinstanzen, die sich mit der Klage des Hartz IV-Empfängers befasst hatten, das Sozial­gericht Dortmund (AZ: S 37 AS 5305/12) sowie das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen (AZ: L 6 AS 22/14), verneint.

So machte das Landes­so­zi­al­gericht deutlich: „Der automa­ti­sierte Datenab­gleich dient der Aufdeckung von nicht angegebenem Vermögen und Leistungs­miss­brauch, gleich­zeitig der Abschreckung gegenüber Antrag­stellern, die bestimmte Vermögenswerte nicht angeben wollen.“ Und weiter heißt es in der Urteils­be­gründung: „Das Mittel des automa­ti­sierten Datenabrufs beim Bundes­zen­tralamt für Steuern ist auch erforderlich, um den Gesetzeszweck zu erreichen. Ein ebenso wirksamer, aber den Leistungs­emp­fänger weniger belastender Weg ist nicht ersichtlich.“

Automa­ti­sierter Datenab­gleich der Jobcenter: Die aktuelle Praxis

Wer Hartz IV beantragt, darf keine Geheimnisse haben. Jedenfalls muss derjenige, der einen Antrag auf diese staatliche Leistung stellt, seine familiären und finanziellen Verhältnisse schonungslos offenlegen. Die Jobcenter prüfen akribisch, ob ein Antrag­steller über  Einkommen verfügt oder gar Vermögen besitzt. Ebenfalls dieser Prüfung unterziehen muss sich, wer mit dem Antrag­steller zusammenlebt.

Die Prüfung der wirtschaft­lichen Verhältnisse endet nicht mit dem ersten Antrag auf Hartz IV, sondern setzt sich über die gesamte Zeit des Bezugs von Hartz IV oder den Leistungen nach dem SGB II – so der offizielle Name – fort. So gleichen die Jobcenter einmal pro Quartal die Daten aller Hartz IV-Empfänger mit verschiedenen staatlichen Stellen ab und können darüber etwa Zeiten und Leistungen der Renten- und der Unfall­ver­si­cherung ersehen, ebenso gering­fügige Beschäf­ti­gungen oder Daten von Steuer­erklä­rungen. Auch ist den Jobcentern darüber ersichtlich, ob jemand parallel Sozial­hil­fe­leis­tungen bezogen hat.

Bei den Abgleichen senden die Jobcenter den Behörden den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum des Hartz IV-Empfängers, diese gleichen sie dann mit ihren Datensätzen ab. Erhalten die Jobcenter etwa vom Bundes­zen­tralamtes für Steuern die Auskunft, dass ein Hartz IV-Bezieher Zinsein­künfte hat, weist dies daraufhin, dass er Kapital­vermögen hat. Hat er dieses nicht angegeben und liegt der Betrag über dem Schonvermögen, muss er mit viel Ärger rechnen.

Datum
Aktualisiert am
24.04.2015
Autor
ime
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Themen
Arbeits­agentur Arbeits­lo­sengeld 2 Datenschutz Hartz IV

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