Anfang Dezember hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wichtige sozialrechtliche Urteile gefällt: Nach der Rechtsprechung der höchsten deutschen Sozialrichter sind bei fehlender Berechtigung zur Freizügigkeit zumindest Sozialhilfeleistungen nach Ermessen zu zahlen. Bei einem längeren Aufenthalt ab sechs Monaten müssten Hilfen zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe erbracht werden.
Insgesamt ergingen drei Urteile (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, Az.: B 4 AS 43/15 R). In einem Fall ging es um eine Frau, die in Bosnien geboren wurde, inzwischen Schwedin ist und mit ihren drei Kindern in Deutschland lebt. Ein Jobcenter in Berlin hatte die Zahlung von Arbeitslosengeld II eingestellt, da die Frau und ihre Tochter als ausländische Arbeitssuchende keinen Anspruch darauf hätten. Auch Sozialgeld für die anderen Kinder wurde nicht mehr gezahlt.
Der Fall war bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gegangen. Der hatte Mitte September die deutsche Praxis bestätigt. Das Berliner Landessozialgericht muss nach Vorgabe des Bundessozialgerichts nun aber prüfen, ob sich die Familie auf andere Aufenthaltsrechte im Zusammenhang mit der Ausbildung und Integration der Kinder in Deutschland berufen kann.
Berliner Sozialgericht: Keine Sozialleistungen für EU-Bürger auf Arbeitssuche
Im Gegensatz zur Rechtsprechung des BSG hat das Berliner Sozialgericht derweil in einem Urteil am 11. Dezember 2015 entschieden: Ein EU-Bürger, der in Deutschland nur ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hat, hat weder Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) noch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII. Mit dieser Begründung hat die 149. Kammer des Sozialgerichts Berlin die Klage eines 1980 geborenen Bulgaren auf Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums abgewiesen.
Das Urteil ist die erste Entscheidung des Sozialgerichts Berlin, die klar Position bezieht gegen die jüngste BSG-Rechtsprechung zu Leistungsansprüchen von arbeitsuchenden EU-Bürgern (AZ: S 149 AS 7191/13).
Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Es kann vom Kläger mit der Berufung zum Landessozialgericht in Potsdam angefochten werden.
- Datum
- Aktualisiert am
- 20.01.2016
- Autor
- dpa/red