Arbeitslose stehen auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch und zurück unter gesetzlichem Unfallschutz´. Für den Unfallschutz reicht es aus, wenn es einen Vermittlungsvorschlag von der Agentur für Arbeit gegeben hat. Lediglich wer sich selbstständig bewirbt und zu einem Vorstellungsgespräch geht, ist nicht unfallversichert. Dies hat zunächst das Sozialgericht Konstanz entschieden. Die Entscheidung wurde nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) am 20. Juli 2015 (AZ: L 1 U 5238/14) vom Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigt.
Arbeitssuchende: Was gilt bei einem Unfall auf dem Weg vom Bewerbungsgespräch nach Hause?
Der Fall im Einzelnen: Der 1971 geborene Mann aus Friedrichshafen bezog Arbeitslosengeld I. Die Agentur für Arbeit übermittelte ihm einen schriftlichen Vermittlungsvorschlag als Bauhelfer. Daraufhin bewarb sich der Mann und vereinbarte ein Bewerbungsgespräch. Er fuhr mit dem Fahrrad dorthin. Auf dem Rückweg stieß er mit einem Pkw zusammen und zog sich schwerste Hirnverletzungen zu. Mittlerweile ist er pflegebedürftig (Pflegestufe III) und lebt in einem Pflegeheim.
Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Die Agentur für Arbeit habe ihn nicht konkret aufgefordert, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, als er verunglückte.
Wegeunfall: Bei Mitwirkung der Arbeitsagentur greift der gesetzliche Unfallschutz
Die hiergegen gerichtete Klage des Mannes hatte Erfolg. Die Aufforderung der Arbeitsagentur in dem Vermittlungsvorschlag umfasse nicht nur die Bewerbung als solche, sondern auch das darauf folgende Vorstellungsgespräch, so die Richter.
Zwar gelte das nicht für sämtliche denkbaren Kontakte zwischen Bewerber und möglichem Arbeitgeber. Allerdings seien die erste Kontaktaufnahme und das daran unmittelbar anschließende Vorstandsgespräch eng miteinander verbunden. Mit der Bewerbung könne nicht viel mehr abgeklärt werden als der Umstand, ob die Stelle noch frei sei und der Bewerber dafür grundsätzlich in Frage komme.
Ohne Vorstellungsgespräch gebe es meist keine Stelle. Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses setze fast immer ein zumindest kurzes persönliches Gespräch zwischen Bewerber und möglichem Arbeitgeber voraus. Von daher habe der Mann davon ausgehen können, dass die Arbeitsagentur von ihm erwarte, dass er eine Einladung zum Vorstellungsgespräch auch wahrnehme.
Solche Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen. Wer auf eine gesetzliche Unfallversicherung zurückgreifen kann, erhält in der Regel mehr Leistungen. In diesem Fall wirkte sich das wegen der Schwere der Verletzungen auch besonders stark aus. Ohne anwaltliche Beratung hätte sich der Mann letztlich nicht durchsetzen können.
- Datum
- Aktualisiert am
- 16.02.2016
- Autor
- red/dpa