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Hartz IV: Was kann man gegen falsche Bescheide tun?

Experten meinen: Ein häufiger Grund für fehlerhafte Bescheide sind die komplizierten Regeln für Hartz IV. © Quelle: Tetra Images/corbisimages.vom

Anfang 2015 wurde die Grundsi­cherung für Arbeit­su­chende, umgangs­sprachlich auch Hartz IV genannt, zehn Jahre alt. Doch das Gesetzeswerk beschäftigt die Menschen und vor allem die Sozial­ge­richte im Land noch immer. Denn viele Bescheide von Hartz IV-Empfängern sind fehlerhaft, Klagen dagegen oft erfolgreich. Wir zeigen im zweiten Teil unserer Serie, wie Betroffene gegen falsche Bescheide vorgehen können.

ie Reform der Sozial- und Arbeits­lo­senhilfe im Jahr 2005 sollte vieles einfacher machen, zumindest sollte sie weniger Bürokratie und mehr Effizienz mit sich bringen. Doch diese Ziele haben sich nach Meinung von Sozial­rechts­experten nicht erfüllt. Viele Fachleute sind der Ansicht, dass die rechtlichen Vorgaben für die Grundsi­cherung für Arbeit­su­chende aus dem Sozial­ge­setzbuch II (SGB II) zu komplex sind, um in der Praxis gut zu funktio­nieren.

Eine der Folgen dieser unüber­sicht­lichen Regeln ist, dass sich Jobcenter häufig bei der Berechnung der auch als Hartz IV bekannten Grundsi­cherung für Arbeits­su­chende verrechnen und falsche Bescheide ausstellen. Dabei sind meistens Bescheide deshalb falsch, weil die Jobcenter das Einkommen oder Vermögen eines Hartz-IV-Empfängers falsch anrechnen, oder die Kosten für die Wohnung sowie für die Heizung nicht richtig ermitteln.

Fehlerhafte Bescheide führen seit Jahren zu Klagen vor den Sozial­ge­richten im Land. „Etwa ein Drittel aller vor den Sozial­ge­richten eingereichten Klagen befassen sich mit Hartz IV, beim Bundes­so­zi­al­gericht sind es etwa ein Viertel“, sagt der Duisburger Rechts­anwalt Dr. Wolfgang Conradis von der Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). 

Dabei stehen die Chancen von Hartz IV-Empfängern gut, vor Gericht Recht zu bekommen. „Ich schätze, dass rund die Hälfte aller Klagen, die Hartz IV-Empfänger ohne Rechts­beistand einreichen, Erfolg haben“, so Conradis. Die Erfolgs­aus­sichten seien noch höher, wenn Hartz IV-Empfänger mit Hilfe eines Rechts­anwalts klagten.

Fehler­hafter Hartz-IV-Bescheid: Wie kann man dagegen vorgehen?

Jobcenter sind die Behörden, bei denen Hilfebe­dürftige ihren Antrag auf Grundsi­cherung für Arbeits­su­chende oder Hartz IV stellen müssen. Die Jobcenter bearbeiten den Antrag und entscheiden über ihn. „Diese Entschei­dungen müssen die Jobcenter schriftlich in einem Bescheid darlegen und sie mit einer sogenannten Rechts­be­helfs­be­lehrung versehen“, erklärt Rechts­anwalt Dr. Conradis. Diese Belehrung nennt zum Beispiel die Fristen, innerhalb derer man dem Bescheid widersprechen kann.

Es gibt verschiedene Arten von Bescheiden: Bewilli­gungs­be­scheid, Ablehnungs­be­scheid, Aufhebungs­be­scheid, Sankti­ons­be­scheid, Rückzah­lungs­be­scheid. Dass solche Bescheide Verwal­tungsakte sind, hat auch zur Folge, dass man als Hartz-IV-Empfänger gegen sie vorgehen und ihnen widersprechen kann.

Das ist anders etwa bei einer Einglie­de­rungs­ver­ein­barung, denn formal gesehen handelt es sich bei ihr eben um eine Verein­barung zwischen Jobcenter und Hartz-IV-Empfänger und nicht um einen Verwal­tungsakt – es sei denn, die Einglie­de­rungs­ver­ein­barung ist als Verwal­tungsakt ergangen. Dies ist dann möglich, wenn der Hartz-IV-Empfänger die Einglie­de­rungs­ver­ein­barung nicht unterschrieben hat.

Hartz-IV-Bescheid: Sorgfältig überprüfen

Jeden Bescheid des Jobcenters sollte man sorgfältig überprüfen. Wenn der Bescheid in Ordnung ist, muss man nichts weiter tun. Wer dagegen vermutet, dass sein Bescheid fehlerhaft oder er mit diesem nicht einver­standen ist, kann einen Widerspruch dagegen einlegen.

Dafür muss sich ein Hartz IV-Empfänger an ein bestimmtes verwal­tungs­recht­liches Prozedere halten: Zunächst muss er den Widerspruch innerhalb eines Monats bei dem zuständigen Jobcenter einlegen, entweder schriftlich oder persönlich beim Jobcenter. Fehlt dem Bescheid die Rechts­be­helfs­be­lehrung, verlängert sich die Frist für einen Widerspruch auf ein Jahr.

Wer die Frist zum Widerspruch überschreitet, kann nur noch mit einem Überprü­fungs­antrag rückwirkend gegen den Bescheid vorgehen.

Den Widerspruch muss man nicht begründen, es reicht zunächst, den Widerspruch einzulegen. „Allerdings kann man dazu beitragen, den strittigen Sachverhalt schneller zu klären und damit das Verfahren zu beenden, wenn man den Widerspruch gut begründet und ihm wichtige Unterlagen beifügt“, sagt der Sozial­rechts­experte Dr. Conradis. Den Widerspruch einreichen muss man per Brief oder Fax, eine E-Mail genügt nicht.

Wer in seinem Widerspruchs­ver­fahren einen Anwalt beauftragen möchte, kann beim zuständigen Amtsgericht Beratungshilfe beantragen.

Hat ein Widerspruch gegen einen Hartz-IV-Bescheid aufschiebende Wirkung?

Wenn man gegen einen Bescheid des Jobcenters Widerspruch einlegt, hat dies keine aufschiebende Wirkung wenn es zum Beispiel um Leistungs­kür­zungen oder Sanktionen geht. Demgegenüber hat ein Widerspruch gegen eine Erstattung oder eine Aufrechnung aufschiebende Wirkung.

Hartz IV: Was ist einstweiliger Rechts­schutz?

„Wenn eine Leistungs­kürzung oder eine Sanktion zu einer erheblichen Leistungs­kürzung führt, kann man parallel zu seinem Widerspruch einstweiligen Rechts­schutz beim Sozial­gericht beantragen“, rät Dr. Conradis. Diesen Rechtschutz gewähren die Sozial­ge­richte in der Regel dann, wenn das Jobcenter einen großen Teil der Leistung kürzt oder diese sogar komplett streicht. Über den einstweiligen Rechts­schutz kann man weiterhin Leistungen vom Jobcenter bekommen, während über den Widerspruch entschieden wird, was Monate wenn nicht Jahre dauern kann.

Allerdings: „Einstweiligen Rechts­schutz gewähren die Sozial­ge­richte meist nicht bei geringen Leistungs­kür­zungen“, sagt Rechts­anwalt Dr. Conradis. Es müssen Kürzungen sein, die so stark sind, dass ein Hartz-IV-Empfänger seinen Lebens­un­terhalt kaum mehr bestreiten kann.

Jobcenter prüft den Widerspruch des Hartz-IV-Empfängers

Wenn der Widerspruch beim Jobcenter eingegangen ist, prüft ihn die Behörde und erneut den Bescheid. Seine Entscheidung teilt das Jobcenter dem Hartz-IV-Empfänger in einem Widerspruchs­be­scheid mit.

Ein Widerspruchs­be­scheid kann verschiedene Szenarien nach sich ziehen:

1. Im Widerspruchs­be­scheid erkennt das Jobcenter an, dass der erste Bescheid fehlerhaft war und korrigiert ihn. Wenn der Hartz-IV-Empfänger dies akzeptiert, ist das Widerspruchs­ver­fahren damit beendet.

2. Jobcenter sind überlastete Behörden, sie reagieren manchmal nicht oder nur verspätet auf den Widerspruch eines Hartz IV-Empfängers. Wenn das Jobcenter drei Monate nicht auf den Widerspruch reagiert, kann der Hartz IV-Empfänger eine Untätig­keitsklage beim zuständigen Sozial­gericht einreichen.

3. Das Jobcenter lehnt im Widerspruchs­be­scheid den Widerspruch des Hartz IV-Empfängers ab. Dagegen kann dieser vor einem Sozial­gericht klagen.

Hartz IV: Klagen gegen Bescheid vor dem Sozial­gericht

„Die Klage vor dem Sozial­gericht muss man innerhalb einen Monats, nachdem man den Widerspruchs­be­scheid erhalten hat, schriftlich beim Sozial­gericht oder persönlich in der Rechts­an­trag­stelle des Gerichts einreichen“, erklärt der Sozial­rechtler Dr. Conradis. Die Rechts­be­helfs­be­lehrung des Widerspruchs­be­scheids enthält Informa­tionen zu den Fristen für Klagen und dem Verfahren.

Bei Klagen vor den Sozial­ge­richten müssen Hartz IV-Empfänger keine Gerichts­kosten zahlen und, wenn sie einen Anwalt beauftragen, keine Kosten für diesen übernehmen - wenn ihnen Prozess­kos­tenhilfe bewilligt wird.

Prozess­kos­tenhilfe wird nur dann bewilligt, wenn die Klage Erfolg haben könnte. „In der Regel dauert es einige Monate, bis ein Sozial­gericht über eine Klage entschieden hat“, erklärt der Sozial­rechts­experte Dr. Wolfgang Conradis. „Es kann aber auch Jahre dauern, je nachdem, über wie viele Instanzen die Klage geht.“ 

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Datum
Aktualisiert am
25.04.2017
Autor
ime
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Themen
Arbeit Arbeits­agentur Arbeits­lo­sengeld 2 Hartz IV

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