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Soziale Gerechtigkeit

Kasse zahlt nicht: Keine Intensiv­pflege für Lucy?

Mehrmals wollte die Krankenkasse die Leistungen für Lucy streichen. © Quelle: azgek/ panthermedia.net

Trotz gut gefüllter Kassen weigern sich Kranken­ver­si­che­rungen immer öfter, Leistungen für Versicherte zu zahlen. Das jedenfalls meinen Experten. Sie kritisieren, dass Kranken­kassen oft nur nach Aktenlage oder gar willkürlich entscheiden. Am Welttag der sozialen Gerech­tigkeit hat die Deutsche Anwalt­auskunft einen Fall gezeigt, bei dem eine Krankenkasse einer Schwer­be­hin­derten die nötige Versorgung verweigern wollte - und ein harter Kampf begann.

Lucy F. ist erst fünf Jahre alt und hat trotzdem schon viel durchgemacht. Ihr Leben hing am seidenen Faden, als sie lange vor ihrem Geburts­termin zur Welt kam. Sie konnte nicht alleine atmen, Schleim verstopfte ihre Lungen und Bronchien. Um Lucy zu retten, schnitten ihr die Ärzte kurz nach der Geburt die Luftröhre auf und legten ihr eine spezielle Kanüle in den Hals, eine sogenannte Trache­al­kanüle. Darüber war Lucy mit einer Beatmungs­ma­schine verbunden. Es dauerte Wochen, bis Lucy nach Hause konnte.

Mit Pflegerin in den Kinder­garten

Im November 2012 wollten die Ärzte Lucy von der Kanüle entwöhnen. Denn das Kind sollte lernen, alleine zu atmen. Dann müsste sie nachts nicht mehr an das Beatmungsgerät angeschlossen werden und es würde ihr besser gehen, hofften die Ärzte. Allerdings war ein solcher Versuch schon einmal gescheitert. Dennoch – die Ärzte gaben nicht auf, so schwierig und medizinisch gefährlich eine Entwöhnung auch sein kann. Es können Kompli­ka­tionen auftreten, bei denen sofort jemand helfen muss. Deshalb war die Pflege, die Lucy in dieser Zeit zu Hause bekam, auch besonders wichtig. Fast rund um die Uhr war eine Pflegerin bei ihr, auch nachts wachte sie über den Schlaf des Mädchens. Die Pflegerin war auch im Kinder­garten dabei. Ihn hätte Lucy ohne die Pflegerin gar nicht besuchen dürfen.

Welttag der sozialen Gerech­tigkeit

Diesen Aktionstag haben die Vereinten Nationen im Jahr 2009 ausgerufen. Seither wird er jedes Jahr am 20. Februar begangen. Dabei gehört soziale Gerech­tigkeit

laut UN zu den wichtigsten globalen Aufgaben. Soziale Gerech­tigkeit meint: Benach­tei­li­gungen etwa wegen des Alters, der Ethnie, Religion, Kultur, Behinderung oder Geschlecht sollen verhindert werden und alle Menschen an den Gütern einer Gemein­schaft teilhaben.

Kasse streicht Leistungen kurz vor Weihnachten

Diese Betreuung wollte die Krankenkasse Familie F. aber irgendwann nicht mehr bezahlen. Die E-Mail, die kurz vor Weihnachten 2012 im Postein­gangsfach der Familie landete, enthielt nur wenige dürre Worte: „Aufgrund des aktuellen Gutachtens des MDK wird die häusliche Intensiv­pflege ab dem 21.12.2012 aufgehoben. Der Pflege­dienst ist ebenfalls entsprechend informiert worden. Der Bescheid wird Ihnen in den kommenden Tagen noch als Original per Post zugehen.“

Lucys Eltern waren verzweifelt. Ein Stopp der Pflege wäre für sie nicht nur langfristig eine Katastrophe gewesen, sondern hätte auch bedeutet, dass Lucy Weihnachten im Krankenhaus hätte verbringen müssen. Denn die Eltern waren medizinisch einfach nicht fachkundig genug, um ihre Tochter gut zu versorgen und bei Notfälle richtig reagieren zu können.

David gegen Goliath

Sie nahmen den Kampf gegen die Krankenkasse auf. Hilfe bei dieser ungleichen Ausein­an­der­setzung bekamen sie von einem versierten Anwalt für Sozialrecht. Der Rechts­anwalt legte bei der Krankenkasse sofort Widerspruch gegen den Bescheid ein. Lucys Versorgung müsse weitergehen, schrieb er. Zumindest bis über den Widerspruch entschieden sei und vor allem bis nach Weihnachten. Doch die Kasse ließ sich nicht beirren und verwies kühl auf das Gutachten ihres MDK, des Medizi­nischen Dienstes. Dem zu Folge könne Lucys Mutter ihre Tochter pflegen. Schließlich sei sie darin geübt und nicht berufstätig. Das Gutachten rechtfertige nur einen ambulanten Pflege­dienst für den Besuch des Kinder­gartens.

Damit wollten sich Familie F. und ihr Anwalt aber keineswegs abfinden. Um jeden Preis wollten sie den Stopp der Pflege verhindern und dazu eine einstweilige Anordnung beim Sozial­gericht erwirken. Doch dafür mussten sie sich beeilen, ihnen blieb nur noch der Freitag vor Weihnachten, der auch nur ein halber Arbeitstag war. In Windeseile stellte der Anwalt alle Unterlagen zusammen, die er für die Anordnung brauchte. In nur drei Stunden hatte er einen 13 Seiten starken Anordnungs­schriftsatz mit 37 Seiten Anlagen mit Gutachten über Lucys körperliche Verfassung erstellt. Die zuständige Richterin gab der Anordnung statt und sicherte damit Lucys Pflege - zunächst.

Wieder ablehnender Bescheid

Denn die Krankenkasse ließ nicht locker und mailte der Familie kurz vor Ostern 2013 erneut. Ab Anfang April würden die Leistungen für Lucy komplett gestrichen, hieß es. Die Kasse begründete ihre Entscheidung mit einem neuen Gutachten des MDK. Wieder beantragte der Anwalt der Familie F. eine einstweilige Anordnung beim Sozial­gericht und wieder entschied es zu Lucys Gunsten.

Aktuell ist Lucys Pflege gesichert. Ein gutes Zeichen, das vielen Menschen Mut machen könnte, sich gegen ablehnende Bescheide der Kranken­kassen zu wehren. Lucys Fall zeigt auch, wie Sozialrecht und Rechtstaat siegen und ihre menschliche Seite zeigen können, besonders im Zusammenspiel von Anwälten und Gerichten.

Datum
Aktualisiert am
27.06.2014
Autor
ime
Bewertungen
761
Themen
Behinderte Kinder Kinder­be­treuung Krankenkasse Kranken­ver­si­cherung

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