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Arbeit und Gesundheit

Antrag auf Erwerbs­min­de­rungsrente bei Sehstörung erfolgreich

Der Weg zur Arbeit muss zumutbar sein. © Quelle: Olssen/gettyimages.de

Wer eine Behinderung hat, hat Anspruch auf Erwerbs­min­de­rungsrente. Es kommt dabei nicht allein darauf an, die Arbeit nicht ausüben zu können. Ein solcher Anspruch besteht auch bei Fehlen der „Wegefä­higkeit“. Wer nicht ohne Gefahr in einer zumutbaren Zeit seinen Arbeitsplatz erreichen kann, ist ebenfalls erwerbs­unfähig.

Arbeit­nehmer müssen den Weg zur Arbeit sicher schaffen können. Wer dies beispielsweise aufgrund einer Sehbehin­derung oder Sehstörung nicht kann, hat manchmal Anspruch auf eine Erwerbs­min­de­rungsrente.

Eine rechtlich ins Gewicht fallende Einschränkung dieser Wegefä­higkeit liegt vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, einen Weg von 500 Metern in bis zu 20 Minuten zu Fuß zurück­zulegen oder entspre­chende öffentliche Verkehrs­mittel oder ein Auto zu benutzen. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landes­so­zi­al­ge­richts  Baden-Württemberg vom 22. März 2016 (AZ: L 13 R 2903/14), wie die Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) berichtet.

Erwerbs­min­de­rungsrente wegen Sehstörung?

Der Fall: Ein 60-jähriger Heimerzieher aus Karlsruhe war seit 2010 wegen Depres­sionen dauerhaft krankge­schrieben. Im November 2011 entzündete sich der Sehnerven-kopf an beiden Augen. Dies führte zu einer dauerhaften Sehstörung mit deutlich eingeschränktem Gesichtsfeld. Es fehlt fast die gesamte untere Gesichts­feld­hälfte. Es besteht ein Grad der Behinderung von 100.

Die Stadt Karlsruhe als Arbeitgeber riet ihm dazu, einen Renten­antrag zu stellen. Die Deutsche Renten­ver­si­cherung lehnte den Antrag auf Gewährung einer Erwerbs­min­de­rungsrente aber zunächst ab. Der Mann könne, wenn auch unter gewissen Einschrän­kungen, noch beruflich tätig sein, etwa als Poststel­len­mit­ar­beiter. Erst im laufenden Gerichts­ver­fahren bewilligte sie im Sommer 2014 rückwirkend ab dem Jahr 2013 die Rente.

Das Sozial­gericht in Karlsruhe verurteilte die Deutsche Renten­ver­si­cherung darüber hinaus, die Rente bereits ab dem ersten Januar 2012 rückwirkend zu gewähren. Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Deutsche Renten­ver­si­cherung als auch der Versicherte Berufung eingelegt.

Urteil: Anspruch auf Erwerbs­min­de­rungsrente bei fehlender Wegefä­higkeit

Das Landes­so­zi­al­gericht in Stuttgart befragte einen ärztlichen Sachver­ständigen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass wegen der Augener­krankung mit dem ausgeprägten Gesichts­feld­ausfall bereits im Laufe des November 2011 eine deutlich erhöhte Gefährdung im Straßen­verkehr sowie bei der Benutzung öffent­licher Verkehrs­mittel eingetreten war.

Ohne Begleit­person könne der Mann keine öffent­lichen Verkehrs­mittel benutzen und wegen der starken Sehbehin­derung eine Wegstrecke von 500 Metern nicht in der üblicherweise veranschlagten Zeit von 20 Minuten sicher absolvieren. Bei schlechten Beleuch­tungs­si­tua­tionen wie Nebel oder Dunkelheit könne er nicht einmal Bordstein­kanten oder Treppen­stufen erkennen.

 

Hierauf sprach das Landes­so­zi­al­gericht dem Versicherten die Rente wegen voller Erwerbs­min­derung bereits ab dem ersten Dezember 2011 zu. Zur Erwerbs­fä­higkeit gehöre auch die Fähigkeit, eine Arbeits­stelle aufzusuchen.

Erwerbs­min­de­rungsrente: Wegefä­higkeit gehört zur Erwerbs­fä­higkeit

Zu den „üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits­marktes“, an denen die Arbeits­fä­higkeit zu messen ist, gehört auch die so genannte Wegefä­higkeit. Das bedeutet, der Versicherte muss den Weg zur Arbeits­stelle zumutbar zurücklegen können.

Nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts ist auch derjenige erwerbs­ge­mindert, der – gegebe­nenfalls unter Verwendung von Hilfsmitteln wie etwa Gehstützen – nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurück­zulegen und zweimal öffentliche Verkehrs­mittel während der Hauptver­kehrs­zeiten zu benutzen oder mit einem eigenen Kfz zur Arbeit zu fahren (vgl. etwa BSG 17.12.1991, Az. 13/5 RJ 73/90; 12.12.2011, Az. B 13 R 79/11 R).

Dieser Fall zeigt, dass man seine Ansprüche auch gegen die Renten­ver­si­cherung durchsetzen kann. Hartnä­ckigkeit wird belohnt. Dabei hilft eine Rechts­an­wältin oder ein Rechts­anwalt.

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red/dpa
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Themen
Arbeit­nehmer Arbeits­un­fä­higkeit Erwerbs­un­fä­higkeit Krankheit Rente

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