
Bisher war die Störerhaftung das größte Hindernis für die Verbreitung offener WLAN-Hotspots in der Bundesrepublik. Denn sie besagt, dass Anschlussinhaber haftbar gemacht werden können, wenn Nutzer über einen von Ihnen angebotenen Anschluss zum Beispiel Urheberrechtsverstöße begehen. Ein Konzept, das ein rechtliches Risiko schafft, welches viele Betreiber von Cafés oder Geschäften bisher nicht eingehen wollten. Deshalb verzichten bisher viele auf ein WLAN-Angebot für Kunden gleich komplett. Das könnte sich nun ändern.
EuGH: Keine Haftung für WLAN-Anbieter, Sicherung durch Passwort bleibt aktuell
In seinem Urteil vom 15. September 2016 hat der EuGH in Luxemburg nun den Weg für Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter frei gemacht. Demnach haften Geschäftsleute, die ein kostenloses WLAN-Netz anbieten, nicht für Urheberrechtsverletzungen anderer. Allerdings kann vom WLAN-Betreiber verlangt werden, dass der Anschluss durch ein Passwort gesichert wird (Rechtssache C-484/14). Und Rechtsinhaber könnten bei einer Behörde oder einem Gericht eine Anordnung beantragen, mit der vom Anbieter verlangt wird, Urheberrechtsverletzungen zu stoppen oder ihnen vorzubeugen.
Hintergrund war ein deutscher Fall. Ein Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik aus München bot einen ungesicherten WLAN-Hotspot an. Der Musikkonzern Sony mahnte den Mann ab, da über dessen Internetzugang ein Album der Gruppe „Wir sind Helden“ unerlaubt heruntergeladen worden sein soll. Das Landgericht München muss über den Fall entscheiden und bat den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht.
Ende der Störerhaftung: Jeder Anbieter soll „Access Provider“ sein
Bereits im Juli hatte die Bundesregierung eine Änderung des Telemediengesetzes verabschiedet, mit der die Störerhaftung wegfallen sollte. Dem neuen Gesetzentwurf nach sollen alle WLAN-Anbieter zu sogenannten „Access Providern“ erklärt werden. Damit genießen sie die gleichen Rechte wie Serviceanbieter wie o2, 1&1 oder die Telekom. Und gemäß §8 des Telemediengesetzes trifft die Provider keine Verantwortung für rechtswidrige Inhalte, die von Nutzern über die von ihm bereit gestellten Server übertragen oder zugänglich gemacht werden.
Kritikern ging die neue Rechtslage für Betreiber von WLAN-Hotspots jedoch nicht weit genug. Sie bemängelten, dass sie die Gefahr von Abmahnungen und Schadenersatzansprüchen nicht völlig ausräume. Wie die Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein erklärt, findet sich im Gesetzestext kein expliziter Hinweis darauf, dass Anbieter nun vor Unterlassungsansprüchen geschützt sind.
Nach alter Rechtslage galt: Wer in Deutschland einen WLAN-Zugang anbietet, ist dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieser nicht für illegale Aktivitäten genutzt wird. Wird also unter einem Internetanschluss eine Rechtsverletzung ermittelt, etwa illegales File-Sharing, ist es zweitrangig, wer die tatsächliche Verletzung begangen hat. Haftbar ist, mit Einschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen, letztlich der Anschlussinhaber. Weitere Details über die Umstände der Störerhaftung können Sie hier nachlesen.
Ende der Störerhaftung: Rechtssicherheit für Gastronomie, Einzelhandel, WGs & Familien
Erleichterung dürfte das Ende der Störerhaftung besonders für Betreiber von Cafès, Hotels oder den Einzelhandel bedeuten. Sie können nun offene, unverschlüsselte WLAN-Hotspots anbieten, ohne die Abmahnindustrie fürchten zu müssen. Den Internetzugang müssen sie allerdings weiterhin mit einem Passwort sichern.
Die Störerhaftung sorgt außerdem nicht selten für Konflikte innerhalb von Familien: Vielfach bekommen erschreckte Eltern Post vom Abmahnanwalt, weil ihre Kinder den familiären Internetzugang für illegales Downloading benutzt haben. In vielen Fällen, ohne sich selbst einer Rechtsverletzung bewusst zu sein. Nach der neuen Regelung sollen Eltern nun für das Handeln des Nachwuchses nicht mehr verantwortlich gemacht werden können.
Auch Mitglieder von Wohngemeinschaften mussten bisher befürchten, dass ihre Mitbewohner hohe Strafen für die Gemeinschaft verursachen. Zumindest, wenn sie den gemeinsamen Anschluss für Urheberrechtsverstöße nutzen. Diese Problematik dürfte mit dem Wegfallen der Störerhaftung ebenfalls beseitigt sein.
EuGH-Urteil: Kein Freibrief für illegale Downloads
Trotz des Urteils ist Vorsicht geboten: Weder das EuGH-Urteil, noch die Gesetzesänderung sind ein Freibrief für illegales Downloading oder andere Rechtsverletzungen im Netz. Hier können Sie nachlesen, wie die aktuelle Rechtslage rund um illegale Downloads ist, zu was Anschlussinhaber verpflichtet sind und wie Sie sich gegen Abmahnungen oder Unterlassungen schützen können.
- Datum
- Aktualisiert am
- 16.09.2016
- Autor
- psu/dpa/tmn/red