Gestritten wurde über die im Netz erstandene Matratze mehrere Jahre, daher soll an dieser Stelle noch einmal kurz rekapituliert werden: Der Kläger hatte 2014 bei einer Onlinehändlerin eine Matratze für 1.095 Euro bestellt. Bei der Lieferung war das Produkt in einer Schutzfolie verpackt. Der Kunde entfernte die Folie und probierte die Matratze aus. Weil er unzufrieden war, wollte er die Matratze zurückgeben. Allerdings weigerte sich die Händlerin, eine Spedition mit der Abholung zu beauftragen. Der Kunde tat das dann selbst und forderte den Kaufpreis und die Versandkosten zurück - insgesamt 1.190 Euro. Die Händlerin weigerte sich allerdings. Sie habe die Matratze gar nicht zurücknehmen müssen, weil die Schutzfolie beschädigt war.
Seitdem war in der Auseinandersetzung einiges passiert: Die Händlerin hatte die Matratze bereits zurückgenommen und den Kaufpreis erstattet. Vor Gericht wurde lediglich um die Kosten der Rücksendung gestritten. Die können allerdings bei Speditionsware recht hoch ausfallen.
Europäischer Gerichtshof: Matratzen sind keine Hygieneartikel
Der Europäische Gerichtshof entschied im März 2019, dass Matratzen eher mit Kleidungsstücken zu vergleichen sind und damit unter eine Warenkategorie fallen, für die eine Rücksendung nach Anprobe ausdrücklich vorgesehen ist. Auch nach direktem Kontakt mit dem menschlichen Körper könnten sie gereinigt oder desinfiziert werden. Einem erneuten Verkauf stehe nichts im Wege. In einem Hotel würden schließlcih auch mehrere Hotelgäste auf ein- und derselben Matratze – "aufeinanderfolgend" schlafen. Und es gebe sogar einen Markt für gebrauchte Matratzen.
In diesem Fall ist das Widerrufsrecht gegeben, auch wenn der Kunde die Folie entfernt hat. „Allerdings ist der Käufer dann nicht automatisch fein raus: Wenn er die Matratze zu lange testet, muss er unter Umständen Wertersatz nach § 357 Abs. 7 BGB leisten“, warnt Rechtsanwältin Kaufhold. Dieser könne im Extremfall genauso hoch wie der Kaufpreis ausfallen.
Das Amtsgericht Köln hatte in einem Fall zum Matratzenkauf entschieden: Zwei Nächte zu testen ist in Ordnung, fünf Nächte sind zu viel (AZ: Az. 119 C 462/11).
Letztlich geht es beim Widerrufsrecht darum, dass der Kunde die Möglichkeit hat, die Ware zu testen. Die Bedingungen müssen vergleichbar mit denen im stationären Einzelhandel sein. Dort können die Kunden Probe liegen, aber nicht mehrere Nächte auf der Matratze schlafen, bevor sie sich entscheiden.
Bundesgerichtshof: Es gilt das normale Widerrufsrecht
Der BGH schloss sich der Ansicht des EuGH nun an und wies die Revision des Online-Händlers im Juli 2019 endgültig zurück. Die Ausnahmeregelung für Hygieneartikel greife nur dann ein, wenn die Ware nach der Entfernung der Versiegelung endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist. Matratzen könnten hingegen genau wie Kleidungsstücke gereinigt und desinfiziert werden und wären dann für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet. Der Verbraucher habe seine Willenserklärung daher wirksam widerrufen, der Händler müsse dem Käufer den Kaufpreis sowie die verauslagten Transportkosten erstatten.
Betrifft die Entscheidung auch noch weitere Fälle - beispielsweise Rasierapparate, Erotikzubehörartikel oder Sexspielzeug?
Bei einigen Artikeln ist unstreitig, dass man sie nicht mehr zurückgeben kann, wenn die Originalverpackung geöffnet ist. Das gilt zum Beispiel für Zahnbürsten und Dinge, die der Intimsphäre zuzuordnen sind, aber auch für Kosmetika, die mit einer Alufolie geschützt sind. Hier ist das Meinungsbild unter den Kunden auch recht klar. Matratzen waren bislang ein Sonderfall.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 04.07.2019
- Autor
- vhe/psu