
Warum will Facebook Klarnamen?
Offiziell begründet Facebook die Klarnamenpflicht damit, dass es zur Sicherheit der Community beitrage, wenn Nutzer ihren echten Namen angeben. Denn sie würden besonnener agieren und in ihren Beiträgen seltener ausfallend werden.
Kritiker dieses Vorgehens vermuten dagegen ganz andere Motive. Gerade in Verbindung etwa mit Kreditkarten und Payback-Systemen, ließen sich eine ganze Menge an Informationen zum Kaufverhalten der Nutzer herausfinden und gezielter zugeschnittene Anzeigen verkaufen, so die Kritik.
Immerhin hat das milliardenschwere Unternehmen jüngst kleine Zugeständnisse gemacht. Denn Künstlernamen will Facebook künftig zulassen. In den USA gab es darüber vergangenes Jahr mit Drag Queens Streit. Nachdem Facebook zig Accounts sperrte, entschuldigte sich Facebook-Manager Chris Cox schließlich und sicherte zu, dass mit Künstlernamen versehene Accounts aktiv bleiben dürfen.
Verstößt die Klarnamenpflicht gegen deutsches Recht?
„Ja“, sagt Christian Solmecke, Kölner Rechtsanwalt für IT-, Medien- und Internetrecht. Denn das Telemediengesetz erlaube es, Angebote wie Facebook auch anonym beziehungsweise unter der Verwendung eines Pseudonyms zu nutzen.
Warum hält sich Facebook dann nicht daran?
Das am häufigsten genutzte Argument ist jenes des Serverstandorts. Denn aus der Europäischen Datenschutzrichtlinie und dem Bundesdatenschutzgesetz geht hervor, dass das deutsche Recht keine Anwendung findet, wenn personenbezogene Daten durch eine Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhoben und verarbeitet werden – und Facebooks europäischer Sitz ist in Irland. „Der Standort des Servers ist entscheidend bei der Frage, welches Recht anwendbar ist“, erklärt Solmecke.
Aus diesem Grund hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in einem Verfahren gegen Facebook entschieden, dass auf deutsche Nutzer nicht deutsches, sondern irisches Datenschutzrecht anwendbar ist – und damit Facebook bei der Klarnamenspflicht den Rücken gestärkt (Entscheidung vom 22. April 2013; AZ: 4 MB 10/13).
Doch ein im Januar 2018 gefälltes Urteil des Landgerichts Berlin widerspricht dieser Ansicht ganz klar. Die Entscheidung ist klar: Facebook muss die Voreinstellungen für seine Dienste in Deutschland verändern und darf seine Anwender nicht länger zwingen, sich mit ihrem echten Namen anzumelden.
Facebook war vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) verklagt worden. In dem noch nicht rechtskräftigen Urteil wurden Teile der Nutzungs- und Datenschutzbedingungen für unzulässig erklärt. Die nötigen Einwilligungen zur Datennutzung, die sich das Unternehmen Facebook einholt, seien nach Ansicht des LG Berlins teilweise unwirksam, heißt es in dem Urteil (Az. 16 O 341/15).
Facebook legte gegen das Urteil Berufung ein. Der Konzern verwies in einer Stellungnahme darauf, dass sich die Produkte und Richtlinien von Facebook seit Beginn des Verfahrens im Jahr 2015 sehr verändert hätten. Außerdem nehme man 2018 angesichts der bevorstehenden Gesetzesänderungen weitere Änderungen an den Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien vor.
Sollten Facebook-Nutzer, die ein Pseudonym verwenden, ihren Account vorsichtshalber auf Klarnamen umstellen?
„Aus meiner Sicht ist das nicht nötig“, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke und ergänzt: „Im Gegenteil, die Nutzung eines Pseudonyms steht im Einklang mit den deutschen Gesetzen.“
Wem der Account gesperrt wird, muss seinen Personalausweis zur Reaktivierung vorlegen. Gibt es hierzu noch andere Möglichkeiten?
Als Identitätsnachweis lässt Facebook neben einem Personalausweis auch Reisepässe und Führerscheine zu.
Ist diese Praxis überhaupt erlaubt?
Facebook darf nicht einfach eine Kopie dieser Dokumente verlangen. So wurde bei der Gesetzesbegründung des Personalausweisgesetzes festgelegt, dass das Scannen des Ausweises im Normalfall ausdrücklich ausgeschlossen werden soll. Internetrechtsexperte Solmecke: „Der Grund ist das Prinzip der Datensparsamkeit, das in Bezug auf personenbezogene Daten gilt. Auf einem Personalausweis befinden sich zahlreiche sensible personenbezogene Daten, die nicht einfach so kopiert und gespeichert werden dürfen.“ Auf den Führerschein sei die Gesetzesbegründung zwar nicht direkt anwendbar, jedoch könnte hier mit den gleichen Argumenten eine Kopie für rechtswidrig erklärt werden, so Solmecke.
Eine Klage rund um diese konkrete Frage hat es bis dato indes nicht gegeben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Facebook ausgerechnet meinen Account „findet“ uns sperrt?
Nach Einschätzung Christian Solmeckes ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, „gerade wenn Kürzel oder zweigeteilte Vornamen genutzt werden“.
- Datum
- Aktualisiert am
- 13.02.2018
- Autor
- ndm