Wer ist dafür verantwortlich, wenn jemand widerrechtlich urheberrechtlich geschütztes Material herunterlädt – zum Beispiel Musikstücke, Filme oder Software Seit vielen Jahren beschäftigt diese Frage immer wieder die deutschen Gerichte.
Denn auf dem Weg einer Datei von einem Rechner zum anderen gibt es viele Beteiligte. Dazu zählt auch der sogenannte Access-Provider, der für den Nutzer die Verbindung zum Internet herstellt. Für die meisten Deutschen übernehmen große Telekommunikationsunternehmen wie die Deutsche Telekom diese Aufgabe. Der Bonner Konzern war auch die Beklagte in einen von zwei Verfahren, über die jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte.
Worum ging es in dem Urteil des Bundesgerichtshofs?
Gegen die Telekom klagte die GEMA, die in Deutschland urheberrechtliche Nutzungsrechte von Musikern und Komponisten vertritt. Im zweiten Fall klagten Plattenfirmen gegen einen anderen Internetanbieter.
Nach Ansicht der Musikindustrie sind die Telekommunikationsunternehmen dafür mitverantwortlich, dass deren Kunden illegal Musikstücke über die Seiten „3dl.am“ und „goldesel.to“ heruntergeladen haben. Schließlich hätten die Unternehmen nichts getan, um die eigenen Kunden vom Besuch der Seiten abzuhalten – zum Beispiel durch ein Sperren der Seiten.
Was hat die Telekom mit den illegalen Downloads ihrer Kunden zu tun?
Die Argumentation der Musikproduzenten ist dabei keineswegs so abwegig, wie sie klingt. Denn in Deutschland gilt die sogenannte Störerhaftung. Nach dieser kann jeder, der zu einer Urheberrechtsverletzung beiträgt, zur Verantwortung gezogen werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand sein WLAN-Netzwerk nicht richtig sichert und ein anderer dieses dann für illegale Downloads nutzt.
Auch ein Access-Provider wie die Telekom kommt grundsätzlich als „Störer“ in Betracht. Bisher setzten die Gerichte dafür aber eine hohe Hürde. Sie argumentierten, dass es den Providern nicht zuzumuten sei, selbst illegale Downloads zu verhindern.
Wie begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung?
Der Bundesgerichtshof hat in seiner aktuellen Entscheidung diese Hürde gesenkt. Zwar wiesen die Karlsruher Richter in beiden Fällen die Revision ab. Aber nur deshalb, weil die Kläger nicht genug unternommen hätten, um gegen die Hauptverantwortlichen der illegalen Downloads vorzugehen – zum Beispiel die Betreiber der Websites.
Grundsätzlich würden Provider wie die Telekom einen „adäquat-kausalen Tatbeitrag“ zu den illegalen Downloads leisten, so der BGH. Das heißt: Ein Rechteinhaber, zum Beispiel eine Plattenfirma, kann durchaus gegen Internetunternehmen vorgehen. Er muss vorher nur nachweisen, dass alles Machbare getan wurde, um beispielsweise den Betreiber einer illegalen Downloadseite und seinen Host-Provider zu belangen.
Welche Folgen hat das Urteil für Internetnutzer?
Die Entscheidung des BGH könnte eine Flut von Prozessen nach sich ziehen. „Jetzt wird es vermutlich hunderte Verfahren geben, in denen um die Details der ‚Zumutbarkeit’ vorheriger Anstrengungen gestritten werden wird“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ansgar Koreng vom Deutschen Anwaltverein (DAV).
„Besonders problematisch ist, dass laut BGH auch solche Internetangebote zu sperren sind, die teilweise rechtmäßige und teilweise rechtswidrige Inhalte beinhalten“, so Koreng. Der BGH akzeptiere damit ein sogenanntes Overblocking. Das bedeutet, dass beim Sperren illegaler Inhalte auch rechtlich unbedenkliche Inhalt mitblockiert werden. „Mit Blick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung kann es dafür schwerlich eine Rechtfertigung geben“, so Rechtsanwalt Dr. Koreng.
Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Internetprovider auf das Urteil reagieren werden, beispielsweise indem sie durch Filter automatisch bestimmte Seiten für ihre Kunden sperren. Das Internet könnte also künftig für jeden Nutzer anders aussehen, je nachdem, welchen Anbieter er nutzt.
- Datum
- Aktualisiert am
- 26.11.2015
- Autor
- pst