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BGH-Urteil

Anonyme Kommentare: Was darf man online sagen?

Urteile auf Bewerttungsportalen sind grundsätzlich erlaubt. © Quelle: DAV

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden: Betreiber von Webseiten müssen Daten von anonymen Nutzern nicht ohne weiteres heraus­rücken – auch wenn diese unwahre Tatsachen über andere posten. Vermeintlich anonyme Kommentare im Netz können trotzdem gravierende Konsequenzen haben – bis hin zu Hausdurch­su­chungen. Die Anwalt­auskunft beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie weit dürfen anonyme Kommentare im Internet gehen? Mit dieser Frage musste sich der Bundes­ge­richtshof am Dienstag beschäftigen. Ein Arzt hatte gegen ein Online-Portal geklagt, auf dem Mediziner bewertet werden können. Ein anonymer Nutzer hatte dort unwahre Tatsachen über den Arzt gepostet: zum Beispiel, dass er drei Stunden warten musste und Patien­tenakten in Wäsche­körben aufbewahrt würden. Der Arzt verlangte von dem Online-Portal die Herausgabe der Nutzerdaten, um rechtlich gegen den Verfasser der unrichtigen Behauptung vorgehen zu können. Er sah in den Kommentaren eine Verletzung seiner Persön­lich­keits­rechte.

Dieser Einschätzung widersprach der Bundes­ge­richtshof nicht. Trotzdem entschiedend die Karlsruher Richter, dass der Kläger keinen Auskunfts­an­spruch hat und das Bewertungs­portal die Daten des anonymen Nutzers nicht herausgeben muss. Es gebe schlicht keine gesetzliche Grundlage, die einen Webseiten-Betreiber zur Herausgabe der Daten berechtigen würde, so das Gericht – selbst dann, wenn eine Verletzung der Persön­lich­keits­rechte vorliegt.

Das heißt: Wer sich durch einen anonymen Kommentar auf einer Internetseite verunglimpft fühlt, kann sich nicht einfach vom Betreiber der Seite die Daten des Verfasser holen. Möglich­keiten, sich gegen verletzende Kommentare zu wehren, gibt es trotzdem. Die Rechtslage im Überblick:

Wie sind anonyme Kommen­tatoren im Internet rechtlich geschützt?

Das Teleme­di­en­gesetz (TMG) von 2007 legt fest, dass die Anbieter von Internet-Diensten die Nutzung „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen“ haben, „soweit dies technisch möglich und zumutbar ist“. Damit soll die im Grundgesetz (Artikel 5) garantierte Meinungs- und Redefreiheit gestärkt werden. Anonymität ermöglicht es insbesondere Angehörigen von Minder­heiten, Kranken oder Verbre­chens­opfern, sich frei äußern zu können, ohne persönliche Nachteile befürchten zu müssen.

Laut Teleme­di­en­gesetz darf der Anbieter Nutzerdaten nur dann für andere Zwecke verwenden (und damit herausgeben), wenn der Nutzer ausdrücklich zugestimmt hat oder ein Gesetz es erlaubt. Für die Herausgabe von Nutzerdaten an die Opfer fieser Kommentare gibt es eine solche gesetzliche Grundlage laut BGH nicht. Wer in Kommentaren attackiert wird, hat auch weiterhin keinen Anspruch darauf, vom Betreiber der Webseite die Daten des anonymen Nutzers zu erhalten.

Wo endet bisher der Schutz der Anonymität?

Schutzlos sind Opfer anonymer Angriffe im Internet trotzdem nicht. Wer im Netz diffamiert oder beleidigt wird, kann selbst eine Unterlas­sungsklage einreichen, mit der ein Seiten­be­treiber dazu verpflichtet werden kann, einen Kommentar zu löschen. Das hatte der Kläger in dem BGH-Fall auch erfolgreich getan, allerdings tauchten die diffamie­renden Kommentare immer wieder auf.

Wer gegen den Urheber des Kommentars selbst vorgehen will, kann eine Strafanzeige stellen. Stellt die Staats­an­walt­schaft dann fest, dass der Kommentar möglicherweise eine Straftat darstellt, beginnt sie gegen den Urheber zu ermitteln – mit allen Konsequenzen. „Die Staats­an­walt­schaft reagiert in letzter Zeit nicht selten so, wie sie auch bei anderen Delikten reagiert: mit einer Hausdurch­su­chungen bei demjenigen, der möglicherweise Informa­tionen darüber hat, wer der Anonymus ist“, sagt Rechts­anwalt Ptof. Dr. Ulrich Sommer von der Arbeits­ge­mein­schaft Strafrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV).

Denn auch wenn die Benutzung von Pseudonymen im Internet den Nutzern etwas anderes vorgaukelt, bewegt man sich im Netz keineswegs unerkannt – auch dann nicht, wenn man in einem Forum oder auf eine Webseite keine persön­lichen Daten hinterlegt hat. Da jeder Internet­an­schluss über eine indivi­duelle Kennung, die sogenannte IP-Adresse, verfügt, lassen sich auch unter Pseudonym verfasste Kommentare zurück­ver­folgen. Zumindest dann, wenn der Nutzer nicht mit Hilfe spezieller Dienste seine Spuren bewusst verwischt.

Durchsu­chungen mit dem Ziel, anonyme Nutzer zu identi­fi­zieren, nehmen zu. Erst in der vergangenen Woche tauchten Ermittler von Polizei und Staats­an­walt­schaft mit einem Dursuchungs­be­schluss in der Redaktion der „Echo“-Zeitungen in Darmstadt auf. Sie forderten die Herausgabe der Daten eine Nutzers, der im Internetforum einer der Zeitungen aktiv war. Der Nutzer, der ein Pseudonym verwendete, soll in einem Kommentar Mitarbeiter einer Gemeinde beleidigt haben. Die Ermittler hatten nach eigenen Angaben bei dem Verlag zunächst die Daten des Nutzers angefragt, der Verlag hatte die Herausgabe abgelehnt.

Wie kann man sich mit einem Kommentar strafbar machen?

Laut Gesetz können unterschiedliche Arten von Aussagen eine Straftat darstellen. Zum einen gibt es sogenannte falsche Tatsachen­be­haup­tungen. Bezeichnet man zum Beispiel einen Politker in einem Online-Kommentare als bestechlich, kann das als Beleidigung (§ 185 StGB) schuldig machen. Die genaue Grenze zwischen zulässigem Werturteil und einer sogenannten „Schmäh­kritik“ zu definieren, ist immer wieder eine schwierige Aufgabe für die Gerichte. Hier müssen die Meinungs­freiheit des Kommen­tators und die Persön­lich­keits­rechte des Beleidigten gegeneinander abgewogen werden.

Fast immer liegt eine Beleidigung aber bei der Verwendung von vulgären Schimpf­wörtern wie „Arschloch“ vor. Eine Bezeichnung wie „durchge­knallter Staats­anwalt“ kann laut einem Gerichts­urteil jedoch beispielsweise von der Meinungs­freiheit gedeckt sein und damit keine Beleidigung darstellen.

Eine wüste Beschimpfung oder Verleumdung in einem Internetforum ist kein Kavaliers­delikt: Alle Beleidi­gungs­delikte sind Straftaten, die mit

Freiheits­strafen von einem (Beleidigung) bis fünf Jahren (Verleumdung) bestraft werden können – zumindest theoretisch. In der Praxis werden in der Regel aber Geldstrafen verhängt.

Webseiten-Betreiber sollte wissen: Ob tatsächlich eine Straftat vorliegt, wird im Zweifelsfall vor Gericht entschieden. Für eine eventuelle Durchsuchung beim Betreiber einer Webseite reicht der Staats­an­walt­schaft aber bereits der Anfangs­verdacht. Auch wenn ein anonymer Nutzer­kom­mentar später vor Gericht als unbedenklich beurteilt wird, hat man dann in der Regel schon einen unange­nehmen Besuch der Ermittler hinter sich.

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Datum
Aktualisiert am
01.07.2014
Autor
pst
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Themen
Internet Persön­lich­keits­rechte

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