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Netzpolitik

Offenes WLAN: Was das Ende der Störer­haftung bedeutet

Das Ende der Störerhaftung kann den Start für freies WLAN bedeuten. © Quelle: FaustoFavetta/gettyimages.de

Es ist eine kleine Revolution für den Internet­standort Deutschland: Die kontroverse Störer­haftung wird abgeschafft. Nachdem bereits im Juli eine entspre­chende Gesetzes­än­derung verabschiedet worden war, hat nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Störer­haftung entschieden. Das Urteil soll WLAN-Anbietern zu mehr Rechts­si­cherheit verhelfen.

Bisher war die Störer­haftung das größte Hindernis für die Verbreitung offener WLAN-Hotspots in der Bundes­re­publik. Denn sie besagt, dass Anschluss­inhaber haftbar gemacht werden können, wenn Nutzer über einen von Ihnen angebotenen Anschluss zum Beispiel Urheber­rechts­verstöße begehen. Ein Konzept, das ein rechtliches Risiko schafft, welches viele Betreiber von Cafés oder Geschäften bisher nicht eingehen wollten. Deshalb verzichten bisher viele auf ein WLAN-Angebot für Kunden gleich komplett. Das könnte sich nun ändern.

EuGH: Keine Haftung für WLAN-Anbieter, Sicherung durch Passwort bleibt aktuell

In seinem Urteil vom 15. September 2016 hat der EuGH in Luxemburg nun den Weg für Rechts­si­cherheit für WLAN-Anbieter frei gemacht. Demnach haften Geschäftsleute, die ein kostenloses WLAN-Netz anbieten, nicht für Urheber­rechts­ver­let­zungen anderer. Allerdings kann vom WLAN-Betreiber verlangt werden, dass der Anschluss durch ein Passwort gesichert wird (Rechtssache C-484/14). Und Rechts­inhaber könnten bei einer Behörde oder einem Gericht eine Anordnung beantragen, mit der vom Anbieter verlangt wird, Urheber­rechts­ver­let­zungen zu stoppen oder ihnen vorzubeugen.

Hintergrund war ein deutscher Fall. Ein Betreiber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik aus München bot einen ungesi­cherten WLAN-Hotspot an. Der Musikkonzern Sony mahnte den Mann ab, da über dessen Internet­zugang ein Album der Gruppe „Wir sind Helden“ unerlaubt herunter­geladen worden sein soll. Das Landgericht München muss über den Fall entscheiden und bat den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht.

Ende der Störer­haftung: Jeder Anbieter soll „Access Provider“ sein

Bereits im Juli hatte die Bundes­re­gierung eine Änderung des Teleme­di­en­ge­setzes verabschiedet, mit der die Störer­haftung wegfallen sollte. Dem neuen Gesetz­entwurf nach sollen alle WLAN-Anbieter zu sogenannten „Access Providern“ erklärt werden. Damit genießen sie die gleichen Rechte wie Service­an­bieter wie o2, 1&1 oder die Telekom. Und gemäß §8 des Teleme­di­en­ge­setzes trifft die Provider keine Verant­wortung für rechts­widrige Inhalte, die von Nutzern über die von ihm bereit gestellten Server übertragen oder zugänglich gemacht werden.

Kritikern ging die neue Rechtslage für Betreiber von WLAN-Hotspots jedoch nicht weit genug. Sie bemängelten, dass sie die Gefahr von Abmahnungen und Schaden­er­satz­an­sprüchen nicht völlig ausräume. Wie die Arbeits­ge­mein­schaft IT-Recht im Deutschen Anwalt­verein erklärt, findet sich im Gesetzestext kein expliziter Hinweis darauf, dass Anbieter nun vor Unterlas­sungs­an­sprüchen geschützt sind.

Nach alter Rechtslage galt: Wer in Deutschland einen WLAN-Zugang anbietet, ist dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieser nicht für illegale Aktivitäten genutzt wird. Wird also unter einem Internet­an­schluss eine Rechts­ver­letzung ermittelt, etwa illegales File-Sharing, ist es zweitrangig, wer die tatsächliche Verletzung begangen hat. Haftbar ist, mit Einschrän­kungen unter bestimmten Voraus­set­zungen, letztlich der Anschluss­inhaber. Weitere Details über die Umstände der Störer­haftung können Sie hier nachlesen.

Ende der Störer­haftung: Rechts­si­cherheit für Gastronomie, Einzel­handel, WGs & Familien

Erleich­terung dürfte das Ende der Störer­haftung besonders für Betreiber von Cafès, Hotels oder den Einzel­handel bedeuten. Sie können nun offene, unverschlüsselte WLAN-Hotspots anbieten, ohne die Abmahn­in­dustrie fürchten zu müssen. Den Internet­zugang müssen sie allerdings weiterhin mit einem Passwort sichern.

Die Störer­haftung sorgt außerdem nicht selten für Konflikte innerhalb von Familien: Vielfach bekommen erschreckte Eltern Post vom Abmahn­anwalt, weil ihre Kinder den familiären Internet­zugang für illegales Downloading benutzt haben. In vielen Fällen, ohne sich selbst einer Rechts­ver­letzung bewusst zu sein. Nach der neuen Regelung sollen Eltern nun für das Handeln des Nachwuchses nicht mehr verant­wortlich gemacht werden können.

Auch Mitglieder von Wohnge­mein­schaften mussten bisher befürchten, dass ihre Mitbewohner hohe Strafen für die Gemein­schaft verursachen. Zumindest, wenn sie den gemeinsamen Anschluss für Urheber­rechts­verstöße nutzen. Diese Problematik dürfte mit dem Wegfallen der Störer­haftung ebenfalls beseitigt sein.

EuGH-Urteil: Kein Freibrief für illegale Downloads

Trotz des Urteils ist Vorsicht geboten: Weder das EuGH-Urteil, noch die Gesetzes­än­derung sind ein Freibrief für illegales Downloading oder andere Rechts­ver­let­zungen im Netz. Hier können Sie nachlesen, wie die aktuelle Rechtslage rund um illegale Downloads ist, zu was Anschluss­inhaber verpflichtet sind und wie Sie sich gegen Abmahnungen oder Unterlas­sungen schützen können.

Datum
Aktualisiert am
16.09.2016
Autor
psu/dpa/tmn/red
Bewertungen
2095
Themen
Abmahnung Haftung Internet

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