Billige Brustim­plantate

Wer kommt für die betroffenen Frauen auf?

Krankenkassen zahlen die Herausnahme der Brustimplantate, nicht aber ihren Ersatz. © Quelle: Corbis

Das Urteil ist gefallen: Vier Jahre Haft für den Franzosen, der sein Unterneh­mens­modell auf billigen Brustim­plantaten begründete und damit das Leben vieler Frauen riskierte. 5000 Patien­tinnen sollen alleine in Deutschland betroffen sein. Was ihnen nun zusteht – Rechts­anwalt Dr. Rudolf Ratzel im Interview.

Deutsche Anwalt­auskunft: Was bedeutet das Urteil für die in Deutschland betroffenen Frauen?

Rudolf Ratzel: Für deutsche Patien­tinnen hat dieses Urteil zunächst keine direkten Auswir­kungen. Die Richter haben sich dem Fall strafrechtlich isoliert angenommen – und über die Konsequenzen für den Firmen­gründer entschieden – von dem ja die kriminelle Energie ausging. Eine andere Frage ist, ob die franzö­sischen Patien­tinnen als Nebenklä­ge­rinnen auf diesem Urteil Ansprüche – wie Schadens­ersatz oder Schmer­zensgeld – stützen können.

Anwaltauskunft: Gibt es denn überhaupt einen Weg für deutsche Patientinnen auch Ansprüche vor Gericht geltend zu machen?

Ratzel: Auf dem direkten Weg nicht. Auch Klagen gegen Kliniken, die diese Implantate eingesetzt haben, sind vor deutschen Gerichten abgewiesen worden. Ich finde auch zu Recht. Kliniken sollten sich darauf verlassen dürfen, dass Implantate gewissen Qualitäts­standards entsprechen, wenn sie dementsprechend gekenn­zeichnet sind. Im Fall des franzö­sischen Herstellers waren die Implantate mit dem CE-Siegel versehen, das in Deutschland der TÜV Rheinland vergibt. Darauf haben sich alle verlassen, bis die Warnung rausging, dass die Implantate nicht in Ordnung sind.

Anwalt­auskunft: Im Prozess in Marseille ist der TÜV Rheinland als Nebenkläger aufgetreten. An deutschen Gerichten wurde hingegen erörtert, inwieweit die Prüfstelle Schuld auf sich geladen hat, weil er die Implantate für unbedenklich befand. Ergäbe sich für deutsche Patien­tinnen hier ein Weg, Ansprüche durchzu­setzen?

Ratzel: Das wird unterschiedlich bewertet. In Bezug auf die deutsche Rechts­auf­fassung wurde diese Frage bislang verneint, weil der TÜV Rheinland das Prüfver­fahren eingehalten hat und aktiv getäuscht wurde. Der TÜV Rheinland ist in Deutschland noch als hochwertiger Zertifi­zierer angesehen. In Frankreich gibt es allerdings ein Urteil in erster Instanz, in dem das Gericht eine Mitver­ant­wortung ausgewiesen hat. Da waren die Richter der Auffassung, die Prüfer des TÜV hätten stutzig werden müssen. Dieses Urteil ist bislang allerdings nicht rechts­kräftig, weil gegen dagegen Berufung eingelegt wurde. Würde die allerdings abgeschmettert, wäre es denkbar, dass die deutsche Rechtsprechung dieser Entscheidung folgt – und sich daraus Ansprüche für die Patien­tinnen ergäben.

Anwalt­auskunft: Als Reaktion auf den Skandal um die billigen Brustim­plantate hat das Bundes­in­stitut für für Arznei­mittel und Medizin­produkte 2012 eine Empfehlung heraus­gegeben, nach der betroffene Frauen sich die Implantate entfernen lassen sollten. Wer ist für die Kosten aufgekommen?

Ratzel: Laut Gesetz sind die Kranken­kassen nicht verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Das gilt zumindest für Kompli­ka­tionen nach Schönheits­ope­ra­tionen, denen ästhetische Motive zugrunde lagen. Dementsprechend haben die großen Kassen nach dem Skandal zunächst gehandelt. Als man aber feststellte, dass viele Frauen betroffen sind – haben sich die Versicherer größtenteils darauf verständigt, die Kosten doch zu übernehmen.

Das Sozial­gericht Berlin hat untermauert, dass Kranken­kassen die Kosten für die Herausnahme der Implantate des franzö­sischen Herstellers Poly Implant Prothèse erstatten müssen. Einen Teil der Rechnung dürfen sie an die Patientin zurückgeben, wenn die sich ursprünglich aus ästhetischen Gründen für die Brust-OP entschieden hat. Die Kosten­übernahme obliegt damit nicht mehr der Kulanz der Kassen. Ihr Urteil begründeten die Richter mit der medizi­nischen Notwen­digkeit des Eingriffs. Für den Ersatz der Implantate müssen die Kranken­ver­si­cherer hingegen nicht aufkommen.