
Wer gilt als behindert?
Obwohl Menschen auf verschiedene Art und Weise im Alltag körperlich oder seelisch beeinträchtigt sein können, ist im Gesetz festgelegt, wann jemand als behindert bzw. schwerbehindert gilt. So sind Menschen, deren Beeinträchtigungen nicht dem für ihr Alter typischen Zustand entsprechen, behindert - soweit dadurch eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft verhindert wird (§2, neuntes Sozialgesetzbuch). Dabei liegt die Betrachtung immer auf den Barrieren, die es dadurch zu überwinden gilt. Kurzweilige Einschränkungen, wie etwa nach einer Operation, gelten dabei nicht als Behinderung– sie müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern.
Wann gilt man als schwerbehindert?
Um die Stärke der Beeinträchtigungen zu werten, wird der sogenannte Grad der Behinderung (GdB) in einer 10er - Staffelung bis 100 festgelegt. Als schwerbehindert gilt, wer einen GbB von 50 und höher hat (§2 Abs. 2, SGB IX). Die Versorgungsämter nehmen die Anträge entgegen und lassen sich bei der Bearbeitung der Anträge vom ärztlichen Dienst beraten. Dieser stellt Befunde fest, die nach bestimmten „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ kategorisiert werden können (VersMedV, Anlage zu §2). Im Grunde ist dies die ärztliche Einschätzung, wie stark die individuelle Beeinträchtigung die jeweilige Teilhabe behindert. Neben dem GdB gibt es Merkzeichen, die Abkürzungen für Beeinträchtigungen darstellen und auf dem Schwerbehindertenausweis zusätzlich vermerkt werden:
- aG - außergewöhnliche Gehbehinderung
- B – Berechtigung für Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
- BL – Blindheit
- G – erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
- GL – Gehörlosigkeit
- H – Hilflosigkeit
- RF – Rundfunkgebührenermäßigung und/oder Gebührenermäßigung beim Telefonanschluss
- TBL - Taubblindheit
Welche Vorteile hat es, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen?
Zunächst sollte gesagt werden, dass „Vorteil“ (Nachteilsausgleich) im Zusammenhang mit einer behördlichen Anerkennung des Behinderungsgrades gemeint ist. Eine Behinderung ist immer ein Nachteil, der Betroffenen schwere Steine in den Weg legen kann. Im Zuge der „Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ (§1, SGB IX) soll mit dem Schwerbehindertenausweis Benachteiligungen entgegengewirkt werden. Hat man einen Schwerbehindertenausweis, also ein Dokument über den Grad der Beeinträchtigung des Lebens, kann man sogenannte Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen. Dazu zählen Steuerfreibeträge, Vergünstigungen, Vorteile beim Kündigungsschutz, höhere Urlaubsansprüche und vieles mehr. Auf dieser Seite finden Sie eine Nachteilsausgleich-Suche .
Wie beantrage ich einen Schwerbehindertenausweis?
Für die Ausstellung ist in Deutschland das Versorgungsamt (oder Amt für Soziale Angelegenheiten) zuständig. Dort muss ein Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung gestellt werden, entsprechende Antragsformulare finden sich auf dieser Seite. Aber Vorsicht: Die Formulare unterscheiden sich oft nach Bundesland. Nach mehrwöchiger Bearbeitung erhält der Antragsteller dann den Bescheid. Soweit eine Schwerbehinderung, also ein GdB von mindestens 50 GdB festgestellt wird, wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt und übersandt.
Kosten, Gültigkeit, Aussehen
Die Beantragung und Ausstellung sind kostenfrei. Der Schwerbehindertenausweis sieht aus wie eine Checkkarte, und ist im Regelfall für die Dauer von fünf Jahren befristet. Als Ausnahme davon gilt eine zeitlich unbegrenzte Behinderung, dann kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden. Auf der Karte ist der Grad der Behinderung vermerkt. Die Grundfarbe ist grün, bei Merkzeichen, die eine kostenlose Mitnahme im Personennahverkehr erlauben, ist eine Hälfte orangefarben.
Soziales Stigma
Vielen Menschen ist es peinlich, eine mögliche Behinderung dokumentieren zu lassen – aus verschiedensten Gründen. Dabei sollten die vom Gesetzgeber zugeschriebenen Rechte Ausdruck davon sein, dass die anerkannten Beeinträchtigungen ein Ungleichgewicht für die Chancengleichheit bedeuten.
Was tun, wenn Grad der Behinderung unter 50 liegt?
Ab einem GdB von 30 und 40 kann bei der Agentur für Arbeit eine so genannte Gleichstellung beantragt werden. Wird diese anerkannt, zählt zum Beispiel der gleiche Kündigungsschutz wie für Schwerbehinderte. Der Gleichstellungsantrag sollte dabei frühzeitig gestellt werden, denn: „[…] auch ein Antrag, der noch nicht beschieden, aber bereits drei Wochen vor Erhalt der Kündigung gestellt wurde, kann dazu führen, dass das Kündigungsschutzverfahren erfolgreich verläuft.“, informiert die Rechtsanwältin Cornelia Oster, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung stehen eine Vielzahl an Anwältinnen und Anwälte zur Verfügung, die sich darauf spezialisiert haben, Ihre Rechte geltend zu machen. Passenden Rechtsbeistand für Sozialrecht in Ihrer Nähe finden Sie unter: https://anwaltauskunft.de/anwaltssuche
- Datum
- Aktualisiert am
- 30.11.2022
- Autor
- red/dav