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Masern-Epidemie

Über das Für und Wider einer Impfpflicht

Wer kommt für den Impfschaden eines Beschäftigten auf? © Quelle: Sekulic/gettyimages.de

In Berlin stirbt ein Kind an den Masern. Seine Eltern sollen es nicht gegen die Kinder­krankheit geimpft haben. Ob sie bewusst von einer Immuni­sierung absahen oder es vergessen haben, ist nicht bekannt. Öffent­lichkeit und Politik ist der Fall unterdessen Anlass, über eine Impfpflicht zu diskutieren. Zwangsweise musste hierzulande bislang nur gegen Pocken geimpft werden. Die gelten inzwischen als ausgerottet. Ein Ergebnis der Impfpflicht, sagen deren Befürworter. Ob das kollektive Durchimpfen der Bevölkerung tatsächlich vor Krankheit und etwa Masern-Epidemien schützen kann, bezweifeln ihre Gegner.

„No shots, no school“ ist die Parole, nach der in den USA die Schulen vor Epidemien durch Infekti­ons­krank­heiten wie Masern bewahrt werden sollen: Wer sich nicht impfen lässt, darf nicht zur Schule gehen. Ausnahmen bestätigen die Regel. So dürfen Eltern ihre Kinder in allen Bundes­staaten aus gesund­heit­lichen Gründen von der Immuni­sierung ausnehmen. Aber auch religiöse Motive oder persönliche Skrupel werden in der Regel anerkannt.

Hierzulande gibt es keine mit US-Verhält­nissen vergleichbare Impfkampagne mehr, seitdem 1972 einem Deutschen das letzte Mal Pocken attestiert wurden und drei Jahre später die Impfpflicht kippte. Eingeführt worden war die Pflicht 1874 für Kinder mit dem Reichs­impf­gesetz. Danach waren Eltern angehalten, ihre Einjährigen gegen die schwarzen Blattern impfen zu lassen. Eine Auffri­schung der Immuni­sierung sah das Gesetz für das zwölfte Lebensjahr vor.

In einem von 4500 Fällen verlaufen Masern in Westeuropa durchschnittlich tödlich

Mediziner warnen unterdessen davor, die Masernviren nicht als harmlose Kinder­krankheit abzutun. 2013 sind weltweit, so die Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sation (WHO), 145 700 Menschen an den Masern gestorben. Kompli­ka­tionen seien keine Rarität, heißt es etwa in einem Aufsatz des Paul-Ehrlich-Instituts: eine Bundes­behörde, die sich mit Impfstoffen befasst. Bis zu sechs Prozent der Patienten entwickelten infolge der Masern­er­krankung eine Lungen­ent­zündung. Jeder Tausendste erkranke an einer Gehirn­ent­zündung. Gefürchtet ist als Kompli­kation der Masern aber vor allem eine Erkrankung des zentralen Nerven­systems, die erst sechs bis acht Jahre nach der eigent­lichen Infektion ausbricht. Äußerst selten. Meist tödlich.

An welchen Kompli­ka­tionen das Kleinkind in Berlin gestorben ist, bleibt unterdessen unter Verschluss. Eigentlich hatte sich die Politik zum Ziel gesetzt, die Masern bis 2015 zu den Akten zu legen. Stattdessen sind alleine für die Hauptstadt rund 600 Krankheitsfälle seit Winter­einbruch dokumentiert. Statistisch betrachtet leben in Berlin besonders viele Eltern, die ihre Kinder aus Überzeugung nicht impfen lassen.

Eine Impfung schützt nicht immer vor Krankheit

Eben jene Impfgegner argumen­tieren unter anderem, dass es keine wissen­schaft­lichen Belege für die Wirkung einer Impfung gäbe und dass die Krankheitsfälle nicht ob der Impfstoffe sondern verbes­serter Lebens­um­stände zurück­ge­gangen seien. Befürworter des Impfens tun derlei Annahmen wiederum als Verschwö­rungs­theorien ab: weil es keine Belege gäbe. Sie sehen als evident an, dass mit der Einführung des Impfstoffs die Zahl der Masern­er­kran­kungen gesunken ist.

„Man kann trotz Impfung erkranken“, lässt sich unterdessen auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts (RKI) lesen, dem die sogenannte Ständige Impfkom­mission (Stiko) zugehört. Auf deren Geheiß legen die Gesund­heits­be­hörden der Bundes­länder fest, welche Impfungen öffentlich empfohlen werden. Keine einzige Krankheit vermöge ausnahmslos alle Geimpften zu schützen ebenso wie kein Medikament bei sämtlichen Patienten wirkt, ist vom RKI zu vernehmen. Allerdings würde eine Schutz­impfung die Wahrschein­lichkeit senken, an Masern oder anderen Virusin­fek­tionen zu erkranken.

„Impfmüde Deutsche werden zum weltweiten Risiko“

Die Politik ist indes aufgeschreckt. CDU-Gesund­heits­po­litiker Jens Spahn hatte anlässlich der Krankheitsfälle in Berlin am Wochenende die Impfpflicht wieder ins Spiel gebracht: „Wenn wir es nicht schaffen, mit verstärkter Aufklärung und Beratung die Impfraten bald zu steigern, sollten wir über eine Impfpflicht in Kinder­gärten und Schulen nachdenken“, so Spahn gegenüber der Welt am Sonntag.

Die Opposition im Bundestag lehnte den Vorstoß der Großen Koalition hingegen ab. Impfzwang könne nicht die richtige Antwort sein, hieß es aus den Reihen der Grünen. Hohe Impfraten würden eher durch Aufklärung bewirkt.

Inwieweit eine Impfpflicht durchgesetzt werden könnte

Letztlich würde die Einführung einer Impfpflicht das Infekti­ons­schutz­gesetz erlauben. Darin heißt es: Das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit wäre, sofern der Bundesrat sein „ok“ gäbe, berechtigt, eine Schutz­impfung für bedrohte Teile der Bevölkerung anzuordnen.

Während hierzulande noch über das Für und Wider einer Pflicht diskutiert wird, galten die Masern in den USA seit 2010 als ausgerottet. Ein Erfolg der Impfkampagne, war man sich sicher. Dann stiegen die Raten wieder. Zuletzt soll ein einzelner infizierter Besucher im Freizeitpark Disneyland zu einer erneuten Masern-Ketten­re­aktion geführt haben. Patient Zero soll ein philip­pi­nischer Urlauber gewesen sein.

Datum
Aktualisiert am
27.02.2015
Autor
kgl
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Themen
Gesundheit Krankheit

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