Der Bundesgerichtshof gestern hat ein Urteil gefällt, auf das besonders Tierfreunde wohl schon lange gewartet haben.
Den Karlsruher Richtern lag folgender Fall vor: Das Pferd der Klägerin wurde von einem anderen Pferd gegen das rechte Hinterbein getreten. Die Halterin rief einen Tierarzt, der zunächst die offene Wunde versorgte. Weitere Untersuchungen wurden nicht vorgenommen.
Er übersah daher, dass das Bein des Pferdes bedingt durch den Tritt angebrochen war. Der Spalt im Knochen vergrößerte sich, so dass letztlich der Knochen beim Aufstehen des Pferdes brach. Die anschließend durchgeführte Operation misslang, weshalb das Pferd letztlich erlöst werden musste.
Die Pferdehalterin machte nun dem Tierarzt den Vorwurf, er habe ihr Pferd falsch behandelt und verlangte daher von ihm Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro. Der Tierarzt war jedoch der Auffassung, das Bein des Pferdes wäre sowieso gebrochen.
Die Pferdehalterin konnte nicht beweisen, dass der Tierarzt durch eine entsprechende Behandlung den Bruch hätte verhindern können. Der Tierarzt konnte im Gegenzug nicht beweisen, dass das Bein sowieso gebrochen wäre. Entscheidend für den Rechtsstreit war daher die Beweislastverteilung. Wer musste also was in diesem Rechtsstreit beweisen?
Tierarzt und Beweislast: Bei wem liegt sie?
Grundsätzlich trifft den Kläger die volle Beweislast. Handelt es sich jedoch um einen groben Behandlungsfehler, so tritt eine Beweislastumkehr ein. Grob sind solche Behandlungsfehler, die sich als Verstöße gegen elementare Behandlungsregeln, gegen elementare Erkenntnisse der Medizin darstellen, es sich demnach um Fälle handelt, die aus objektiv ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich sind, weil sie einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen.
Bei der Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler als grob einzuordnen ist, handelt es sich um eine durch ein Gericht vorzunehmende juristische Wertung. Diese wertende Entscheidung hat auf tatsächlichen Anhaltspunkten zu beruhen, die sich in der Regel aus der medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen ergeben. So urteilten dem Grunde nach bereits das LG Oldenburg im Jahre 2007 sowie das OLG Frankfurt am Main 2011. Wenn die Beweislastumkehr eintritt, muss der Arzt beweisen, dass sein Fehler nicht die Ursache nachfolgender Gesundheitsschäden war.
Dieser in der Humanmedizin seit langer Zeit geltende Grundsatz gilt nun nach der gestrigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) auch für Tierärzte (Urteil vom 10. Mai 2016, AZ: VI ZR 247/15).
Der BGH führt in seiner Begründung aus, dass sich die Tätigkeiten der Humanärzte wie diejenigen der Tierärzte auf einen lebenden Organismus beziehen. Die Auswirkungen eines Behandlungsfehlers sind daher ähnlich. Der Fehler sei eine wichtige mögliche Ursache, die gleichzeitig „die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft“. Die Beweislastumkehr zu Lasten des Tierarztes ist daher nach Auffassung der Richter gerechtfertigt.
Andreas Ackenheil ist Anwalt mit dem Schwerpunkt Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Andreas Ackenheil regelmäßig zum Thema Tierrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 11.05.2016
- Autor
- Andreas Ackenheil