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Gefährdung

Schmer­zensgeld für rechts­widrige Zwangs­ein­weisung in Psychiatrie?

Wenn Ärzte bei psychisch Kranken Eigen- oder Fremdgefährdung vermuten, werden die Erkrankten in psychiatrische Kliniken eingewiesen. © Quelle: Audras/gettyimages.de

Eine psychische Erkrankung allein rechtfertigt noch nicht die Unterbringung in einer psychia­trischen Klinik gegen den Willen des Patienten. Kommt dann auch noch eine zwangsweise medika­mentöse Behandlung dazu, hat der Patient Anspruch auf Schmer­zensgeld. Kann den Ärzten bei der Zwangs­ein­weisung oder der medika­mentösen Behandlung eine Pflicht­ver­letzung nachge­wiesen werden, haften sie.

Das Oberlan­des­gericht (OLG) Karlsruhe hat einem Betroffenen wegen einer rechts­widrigen Zwangs­ein­weisung in einer psychia­trischen Klinik 25.000 Euro Schmer­zensgeld zugesprochen. Die behandelnden Ärzte hatten die Unterbringung unter Missachtung medizi­nischer Standards beim zuständigen Amtsgericht beantragt, wie die Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitteilt.

Angebliche Fremd- und Eigenge­fährdung: Unterbringung und Zwangs­me­di­kamente in psychia­trischer Klinik

Im Juni 2007 hatten Polizei­beamte den zu der Zeit 38-jährigen Mann in eine psychia­trische Klinik gebracht. Ärzte der Klinik beantragten beim zuständigen Amtsgericht in Konstanz die Anordnung der Unterbringung des Mannes. Dieser habe eine „Psychose mit Verfol­gungswahn“. Es sei von „Fremd- und Eigenge­fährdung“ auszugehen.

Das Amtsgericht ordnete daraufhin die Unterbringung in der psychia­trischen Klinik an. Aufgrund der Entscheidung blieb der Mann bis zum 11. August 2007 gegen seinen Willen in der Klinik. Er wurde in dieser Zeit zwangsweise medika­mentös behandelt.

Nach seiner Entlassung wurde auf seinen Antrag in einem Beschwer­de­ver­fahren festge­stellt, dass die Unterbringung rechts­widrig gewesen war. Die Voraus­set­zungen einer Unterbringung hätten nach den Vorschriften des Unterbrin­gungs­ge­setzes nicht vorgelegen. Deshalb verlangte der Mann Schadens­ersatz und Schmer­zensgeld für die erlittenen Beeinträch­ti­gungen. Zu der rechts­widrigen Unterbringung sei es nur gekommen, weil die Ärzte ein fehler­haftes ärztliches Zeugnis ausgestellt hätten.

Zwangs­ein­weisung: Schmer­zensgeld für Amtspflicht­ver­letzung der Ärzte

Das Amtsgericht Konstanz hatte die Klage noch abgewiesen. Das Gericht konnte keine Amtspflicht­ver­letzung der Ärzte erkennen. Das sah das OLG Karlsruhe anders und verurteilte die Klinik wegen der knapp zweimo­natigen Unterbringung und zwangs­weisen medika­mentösen Behandlung zu einem Schmer­zensgeld in Höhe von 25.000 Euro.

Bei der Ausstellung der notwendigen ärztlichen Zeugnisse hätten die Ärzte grundlegende fachliche Standards missachtet, so das Gericht. Es habe auch keine für die Gefähr­dungs­prognose „Eigen- und Fremdge­fährdung“ notwendige Grundlage gegeben.

Es komme auch nicht darauf an, dass tatsächlich eine psychische Erkrankung vorgelegen habe. Eine psychische Erkrankung für sich allein – ohne Eigen- und Fremdge­fährdung – rechtfertige keine zwangsweise Unterbringung in einer psychia­trischen Klinik. Dem Mann wurde Schadens­ersatz zugesprochen, allerdings nur soweit, wie er nachweisen konnte, durch die Zwangs­ein­weisung Schaden erlitten zu haben.

Verdacht auf unrecht­mäßige Zwangs­ein­weisung? Anwaltliche Beratung suchen

Dieser Fall zeigt, dass es sich lohnt, hartnäckig zu sein. Der Betroffene ließ sich durch das erstin­stanzliche Urteil nicht abbringen, seine Rechte zu verfolgen. Anwältinnen und Anwälte im Medizinrecht helfen bei der Durchsetzung der Ansprüche. Hier finden Sie einen Experten für Medizinrecht in Ihrer Nähe.

Oberlan­des­gericht Karlsruhe am 12. November 2015 (AZ: 9 U 78/11)

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

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