
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat einem Betroffenen wegen einer rechtswidrigen Zwangseinweisung in einer psychiatrischen Klinik 25.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die behandelnden Ärzte hatten die Unterbringung unter Missachtung medizinischer Standards beim zuständigen Amtsgericht beantragt, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Angebliche Fremd- und Eigengefährdung: Unterbringung und Zwangsmedikamente in psychiatrischer Klinik
Im Juni 2007 hatten Polizeibeamte den zu der Zeit 38-jährigen Mann in eine psychiatrische Klinik gebracht. Ärzte der Klinik beantragten beim zuständigen Amtsgericht in Konstanz die Anordnung der Unterbringung des Mannes. Dieser habe eine „Psychose mit Verfolgungswahn“. Es sei von „Fremd- und Eigengefährdung“ auszugehen.
Das Amtsgericht ordnete daraufhin die Unterbringung in der psychiatrischen Klinik an. Aufgrund der Entscheidung blieb der Mann bis zum 11. August 2007 gegen seinen Willen in der Klinik. Er wurde in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt.
Nach seiner Entlassung wurde auf seinen Antrag in einem Beschwerdeverfahren festgestellt, dass die Unterbringung rechtswidrig gewesen war. Die Voraussetzungen einer Unterbringung hätten nach den Vorschriften des Unterbringungsgesetzes nicht vorgelegen. Deshalb verlangte der Mann Schadensersatz und Schmerzensgeld für die erlittenen Beeinträchtigungen. Zu der rechtswidrigen Unterbringung sei es nur gekommen, weil die Ärzte ein fehlerhaftes ärztliches Zeugnis ausgestellt hätten.
Zwangseinweisung: Schmerzensgeld für Amtspflichtverletzung der Ärzte
Das Amtsgericht Konstanz hatte die Klage noch abgewiesen. Das Gericht konnte keine Amtspflichtverletzung der Ärzte erkennen. Das sah das OLG Karlsruhe anders und verurteilte die Klinik wegen der knapp zweimonatigen Unterbringung und zwangsweisen medikamentösen Behandlung zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro.
Bei der Ausstellung der notwendigen ärztlichen Zeugnisse hätten die Ärzte grundlegende fachliche Standards missachtet, so das Gericht. Es habe auch keine für die Gefährdungsprognose „Eigen- und Fremdgefährdung“ notwendige Grundlage gegeben.
Es komme auch nicht darauf an, dass tatsächlich eine psychische Erkrankung vorgelegen habe. Eine psychische Erkrankung für sich allein – ohne Eigen- und Fremdgefährdung – rechtfertige keine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Dem Mann wurde Schadensersatz zugesprochen, allerdings nur soweit, wie er nachweisen konnte, durch die Zwangseinweisung Schaden erlitten zu haben.
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Dieser Fall zeigt, dass es sich lohnt, hartnäckig zu sein. Der Betroffene ließ sich durch das erstinstanzliche Urteil nicht abbringen, seine Rechte zu verfolgen. Anwältinnen und Anwälte im Medizinrecht helfen bei der Durchsetzung der Ansprüche. Hier finden Sie einen Experten für Medizinrecht in Ihrer Nähe.
Oberlandesgericht Karlsruhe am 12. November 2015 (AZ: 9 U 78/11)
Quelle: www.dav-medizinrecht.de
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