Das Landessozialgericht in Celle hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Sozialhilfeträger die Kosten für die persönliche Assistenz eines Kleinkindes während des Kita-Besuches vorläufig übernehmen muss. Der Besuch in einer Kindertagesstätte sei für die Entwicklung des Kindes wichtig, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Persönliche Assistenz in der Kita wegen Erdnussallergie
Der vierjährige Junge litt an einer hochgradigen Erdnussallergie. Es bestand ein hohes Risiko einer systemischen allergischen Reaktion bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Sein Kindergarten konnte nicht gewährleisten, dass der Junge keine Erdnüsse oder erdnusshaltigen Lebensmittel zu sich nehmen würde.
Der Junge wurde deshalb seit dem Zeitpunkt der Diagnose von seinen berufstätigen Eltern, seiner Großmutter und einer ebenfalls berufstätigen Tante zu Hause betreut. Versuche seiner Eltern, die Kita in Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen und Eltern der anderen Kinder „erdnussfrei" zu gestalten, also das Risiko einer ungewollten Aufnahme von Allergenen zu minimieren, scheiterten.
Der zuständige Sozialhilfeträger lehnte den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine persönliche Assistenz während des Kindergartenbesuchs ab. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb beim Sozialgericht in Stade erfolglos.
Sozialhilfeträger muss Kosten für persönliche Begleitung übernehmen
Beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hatte der Junge Erfolg: Es hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf. Es verpflichtete den Sozialhilfeträger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig, die Kosten für eine persönliche Assistenz für die Zeit des Kita-Besuches in einem Wochenumfang von 20 Stunden zu übernehmen.
Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist es dem Jungen nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Richter verwiesen dabei auf die Bedeutung des Besuchs einer Kindertagesstätte für die kindliche Entwicklung.
Nur durch eine persönliche Assistenz könne der Besuch des Kindergartens ermöglicht werden. Laut Gesundheitsamt bedürfe der Junge während des Besuches des Kindergartens durchgängig der Beobachtung und Begleitung durch eine sachlich unterwiesene Person, um zu verhindern, dass er mit Erdnüssen, „Erdnussprodukten" oder auch nur Spuren von erdnusshaltigen Lebensmitteln in Kontakt komme.
Eine besonders qualifizierte Fachkraft wie etwa eine Krankenschwester sei allerdings nicht erforderlich. Die Assistenz müsse aber zusätzlich gestellt werden, da im Kindergarten eine solche zusätzliche Assistenzkraft de facto nicht vorhanden sei.
Nach dem gegenwärtigen Sachstand könne der Junge ohne Hilfe auch nicht in zumutbarer Weise in einem anderen Kindergarten inner- oder außerhalb der Wohnortgemeinde betreut werden. Selbst die Gemeinde habe die Aufnahme des Jungen in ihren Kindergärten ohne weitere Assistenzkraft wegen der gesundheitlichen Risiken abgelehnt.
Tagespflege kein Ersatz für Kita
Auch scheide eine Betreuung durch eine Tagespflegeperson derzeit aus. Das Gericht hatte Zweifel, ob eine solche Betreuung in gleicher Weise geeignet sei, die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen wie die Betreuung in einem Kindergarten.
Der Sozialhilfeträger hatte vorgeschlagen, den Jungen bei einer Tagespflegeperson zu betreuen. Auch das lehnte das Gericht wegen der Entfernung zu seinem Wohnort – rund 18 Kilometer – ab. Weitere Betreuungsalternativen, die der Sozialhilfeträger hätte aufzeigen müssen, seien nicht ersichtlich.
Der Fall zeigt, dass es sich lohnen kann, nach der Entscheidung eines Gerichts Rechtsmittel einzulegen. Anwältinnen und Anwälte beraten über die Chancen und Risiken. Auch darüber, ob ein Eilverfahren angestrengt werden soll.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 27. August 2014 (AZ: L 8 SO 177/15 B ER)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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