Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute keine Entscheidung darüber gefällt, welche Verantwortung den TÜV Rheinland in der Frage mangelhafter Brustimplantate trifft, und ob einer davon betroffenen Frau Schmerzensgeld zusteht. Die Karlsruher Richter haben das Verfahren heute ausgesetzt, weil sie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor einem Urteil einige Fragen zur Auslegung europäischen Rechts vorlegen wollen. Es geht dabei vor allem um die Auslegung der europäischen Richtlinie 93/42/EWG, die Medizinprodukte regelt (AZ: VII ZR 36/14).
Bislang haben deutsche Gerichte die Verantwortung des TÜV Rheinlands für den Brustimplantate-Skandal verneint. Die Prüfstelle habe ihre Pflichten eingehalten und sei vom französischen Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) aktiv getäuscht worden, so die einhellige Meinung der Richter. Der PIP-Gründer war Ende 2013 von einem Gericht in Marseille zu vier Jahren Haft wegen Betrugs verurteilt worden.
Der TÜV-Rheinland geriet unterdessen ins Visier der Justiz, weil die Prüfstelle seinerzeit von der inzwischen insolventen PIP beauftragt worden war, die Qualitätssicherung und die Produktauslegung des Unternehmens zu überwachen und zu prüfen.
Der Fall vor dem Bundesgerichtshof
Mit der Argumentationslinie, der TÜV Rheinland habe seine Pflichten als beauftragte Prüfstelle verletzt, hat eine Klägerin nun erstmals versucht, in der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) die Prüfstelle in die Pflicht zu nehmen. Die Klägerin hatte sich 2008 Brustimplantate des französischen Herstellers einsetzen lassen. Sie fordert 40 000 Euro Schmerzensgeld vom TÜV. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit ihr Schadenersatz für „materielle Zukunftsschäden“ zustehen, wie es in der Pressemitteilung des BGH heißt. Die ersten beiden Instanzen hatten die Klage abgewiesen.
Schmerzensgeldforderungen betroffener Deutscher bislang ohne Erfolg
Schmerzensgeldforderungen Betroffener waren von Gerichten hierzulande bislang abgewiegelt worden. Im Hinblick auf die Brustimplantate verarbeitende Mediziner oder Kliniken sei das zu Recht geschehen, sagt Rudolf Ratzel im Interview mit der Deutschen Anwaltauskunft. Der Rechtsanwalt ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV): „Kliniken sollten sich darauf verlassen dürfen, dass Implantate gewissen Qualitätsstandards entsprechen, wenn sie dementsprechend gekennzeichnet sind“
Krankenkassen müssen für Herausnahme der PIP-Brustimplantate aufkommen
Das Sozialgericht Berlin stellte darauf für deutsche Betroffene fest, deren Krankenkassen müssten für die Herausnahme der Implantate aufkommen. Zumindest in solchen Fällen, in denen aus medizinischen Gründen operiert worden sei. Für Patientinnen, die sich aus ästhetischen Gründen für die Implantate entschieden hätten, müssten die Versicherungen zumindest anteilig aufkommen.
2010 war bekannt geworden, dass weltweit etlichen Frauen billiges Industriesilikon anstelle hochwertiger Brustimplantate eingesetzt worden war. Die Silikonkissen des Herstellers PIP seien überdurchschnittlich oft gerissen und haben bei zahlreichen Patientinnen Entzündungen verursacht, hieß es. Nachdem französische Behörden den Skandal losgetreten hatten, wurde den betroffenen Frauen empfohlen, sich die Implantate herausnehmen zu lassen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 26.01.2016
- Autor
- kgl/ime