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Mutter­schaft

Arzthaftung bei unerkannter Schwan­ger­schaft?

Von einem Besuch bei der Gynäkologin oder dem Gynäkologen erhoffen sich Frauen Klarheit über eine mögliche Schwangerschaft. © Quelle: Boissonnet/corbisimages.com

Erkennt der Arzt eine bestehende Schwan­ger­schaft nicht, kann die betroffene Frau deswegen unter Umständen nicht mehr rechtzeitig einen Schwan­ger­schafts­abbruch vornehmen. Hat sie dann Anspruch auf Schmer­zensgeld?

Nur bei einem rechtmäßigen Schwan­ger­schafts­abbruch, entschied das Oberlan­des­gericht Oldenburg. Ein Abbruch im Rahmen der Beratungs- und Fristen­lösung zählt nicht dazu, so die Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV).

Ungewollte Schwan­ger­schaft

Die Frau hatte ihre Gynäkologin aufgesucht, um abzuklären, ob sie schwanger war. Ihre Famili­en­planung hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen und wollte auch aus anderen Gründen – unter anderem wegen psychischer Probleme und finanzieller Schwie­rig­keiten – kein weiteres Kind. Nach einer Ultraschall­un­ter­suchung schloss die Ärztin eine Schwan­ger­schaft aus. Tatsächlich aber war die Patientin in der sechsten Woche schwanger. Von der Schwan­ger­schaft erfuhr sie erst in der 15. Schwan­ger­schaftswoche durch eine Untersuchung beim Endokri­nologen.
In dessen Behandlung hatte sie sich wegen des Ausbleibens ihrer Regelblutung begeben.

In dem dazwischen liegenden Zeitraum hatte die Frau eine MRT- und eine CT-Untersuchung vornehmen lassen. Nachdem die Frau von der ungewollten Schwan­ger­schaft erfahren hatte, ließ sie eine Frucht­was­ser­un­ter­suchung durchführen. Sie erhielt die Mitteilung, dass eine Schädigung des Embryos nicht zu erkennen sei. Im Juli 2013 kam ihr Sohn zur Welt. Die kleinen Zehen seiner Füße sind mit den daneben liegenden Zehen verwachsen.

Keine Möglichkeit einer legalen Abtreibung mehr: Schmer­zens­geld­for­derung

Die Frau klagte gegen die Ärztin und forderte Schmer­zensgeld in Höhe von 25.000 Euro und die Zahlung von Kindes­un­terhalt. Hätte sie rechtzeitig von der Schwan­ger­schaft erfahren, hätte sie diese abgebrochen. Der Ärztin warf sie vor, keine Urin- und Blutun­ter­suchung durchgeführt zu haben. Sie habe ihr damit die Möglichkeit einer legalen Abtreibung genommen.

Das ungewollte Kind bekommen zu müssen, habe eine enorme psychische und körperliche Belastung dargestellt. Es hätten sie Existenz­ängste, Depres­sionen, Zweifel und zeitweise sogar ausgeprägte Selbst­mord­ge­danken geplagt. Während der gesamten Schwan­ger­schaft habe sie unter starken Schlaf­stö­rungen gelitten. Sie könne keine Bindung zu ihrem Kind aufbauen, leide weiterhin unter Depres­sionen, Existenz­ängsten und Selbst­mord­ge­danken. Sie nehme Medikamente und befinde sich in psycho­lo­gischer Behandlung. Die bei ihrem Sohn vorlie­genden Verwach­sungen der Zehen seien auf die MRT- und CT-Untersu­chungen zurück­zu­führen.

Schwan­ger­schafts­abbruch wäre nicht rechtmäßig gewesen – keine Schadens­er­satz­an­sprüche

In erster und zweiter Instanz hatte die Frau keinen Erfolg. Entscheidend sei, ob der Schwan­ger­schafts­abbruch rechtmäßig gewesen wäre, so das Oberlan­des­gericht Oldenburg (AZ: 5 U 108/14). Dies sei dann der Fall, wenn medizi­nische oder krimino­lo­gische Gründe bestünden. Anders verhalte es sich jedoch, wenn die Schwangere den Abbruch auf Basis der Beratungs- und Fristen­lösung habe vornehmen wollen. Ein solcher Schwan­ger­schafts­abbruch sei nicht rechtmäßig, bleibe aber straffrei. Die Regelung habe lediglich zur Folge, dass die Frau, die ihre Schwan­ger­schaft nach einer Beratung abbricht, straflos eine gesetzlich nicht erlaubte Handlung vornehme.

Auf medizi­nische Gründe habe sich die Klägerin jedoch erst in der zweiten Instanz berufen. Zuvor habe sie lediglich angegeben, dass sie bei rechtzeitigem  Erkennen der Schwan­ger­schaft einen Abbruch innerhalb der gesetzlich festge­legten Zwölfwo­chenfrist hätte vornehmen können. Nur diese Möglichkeit habe sie, wie sie ausdrücklich erklärt habe, für legal gehalten.

Zwar habe sie bereits in der ersten Instanz dargelegt, dass sie unter Existenz­ängsten, Depres­sionen, Zweifeln und Selbst­mord­ge­danken gelitten habe und es eine enorme psychische und körperliche Belastung gewesen sei, das ungewollte Kind zu bekommen. Um die medizi­nische Indikation zu begründen, hätte sie aber darlegen müssen, dass ein Abbruch aus ärztlicher Sicht angezeigt gewesen wäre. Da sie das nicht getan habe, habe das Gericht ihre Ausfüh­rungen zu ihrem Gesund­heits­zustand der Begründung ihrer Schmer­zens­geld­for­derung zuordnen müssen.

Datum
Aktualisiert am
21.12.2015
Autor
red
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Themen
Arzt Kinder

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