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Urteil

PID: Müssen Kranken­kassen die Kosten übernehmen?

Gentests an Embryonen sind in Deutschland seit 2011 in engen Grenzen erlaubt. © Quelle: Gartner/corbisimages.com

Auch Eltern mit schweren Erbkrank­heiten sollen gesunde Kinder bekommen können. Das hat der Bundestag 2011 klarge­stellt und Gentests an Embryonen in engen Grenzen erlaubt. Die hohen Kosten für die Präimplan­ta­ti­ons­dia­gnostik mussten Eltern bisher aber selbst zahlen. Ob sie das auch weiterhin müssen, hat das Bundes­so­zi­al­gericht heute entschieden.

Das Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) in Kassel hat heute ein weiteres Grundsatz­urteil in Sachen Reproduk­ti­ons­medizin und Kranken­ver­si­che­rungsrecht gefällt. Zu entscheiden hatte das BSG die Frage, ob gesetzliche Kranken­kassen die Kosten für eine Präimplan­ta­ti­ons­dia­gnostik (PID) nach einer künstlichen Befruchtung übernehmen müssen. Das BSG hat geurteilt, dass Kranken­kassen nicht dazu verpflichtet sind, Eltern solche Gentests zu bezahlen oder zu bezuschussen. Damit bleibt die bisherige Rechtslage in Kraft, Eltern müssen also auch künftig selbst für eine PID aufkommen (AZ: B 1 KR 19/13 R).

Erbkranker Mann klagt sich durch alle Instanzen

Den Richtern lag die Klage eines Mannes vor, der Träger einer vererbbaren Stoffwech­sel­er­krankung ist. Diese hat er bereits an eines seiner Kinder weiter­gegeben. Da er und seine Frau sich weitere, aber gesunde Kinder wünschten, unternahmen sie mehrere Kinder­wunsch­be­hand­lungen. Die dabei entstandenen Embryonen wollte das Paar über eine PID auf die Erbkrankheit des Mannes hin untersuchen lassen.

Die Kosten von über 21.000 Euro für die teils in Deutschland, teils in einer Klinik in Brüssel durchge­führten Untersu­chungen, künstlichen Befruch­tungen und die PID wollte der Mann von seiner Krankenkasse erstattet bekommen. Diese lehnte ab, sowohl das Sozial­gericht Karlsruhe (AZ: S 3 KR 360/12) als auch das Landes­so­zi­al­gericht (LSG) Baden-Württemberg gaben ihr Recht (AZ: L 4 KR 4624/12).

PID ist keine Kranken­be­handlung

Der Argumen­tation des LSG Baden-Württemberg sind die höchsten Sozial­richter Deutschlands heute teils gefolgt und haben entschieden: Die Krankenkasse muss dem Kläger weder die Kosten für die PID noch für die Kinder­wunsch­be­hand­lungen bezahlen.

Sein Urteil hat das BSG mit verschiedenen Regeln aus dem Sozial­ge­setzbuch (SGB) V begründet. So hat das Gericht etwa klarge­stellt, dass die PID keine Kranken­be­handlung im Sinne des Gesetzes ist. Mit einer PID könne man die Erbkrankheit des Klägers nicht behandeln, die Kranken­ver­si­cherung des Mannes müsse sie daher auch nicht finanzieren.

Was ist PID?

Präimplan­ta­ti­ons­dia­gnostik (PID) ist eine Methode, die Ärzte auf Embryonen anwenden, die über künstliche Befruchtung entstanden sind. Diese Embryonen untersuchen die Mediziner im Labor auf genetische Defekte und Krankheiten, suchen einen gesunden Embryo aus und pflanzen ihn in den Körper der Mutter. Das deutsche Embryo­nen­schutz­gesetz verbietet solche Gentests eigentlich. Doch der Gesetzgeber hat dieses Verbot mit dem Präimplan­ta­ti­ons­gesetz gelockert, seit dem 8. Dezember 2011 ist PID begrenzt erlaubt. Etwa, wenn Eltern Träger von Erbkrank­heiten sind oder wegen genetischer Defekte befürchten müssen, dass die Schwan­ger­schaft mit einer Fehl- oder Totgeburt endet.

Kasse zahlt für Kinder­wunsch­be­handlung nur bei Unfrucht­barkeit

Auch für die Kinder­wunsch­be­handlung des Mannes muss die Krankenkasse nicht aufkommen. Denn der Mann leide nicht an einer Fertili­täts­störung, so das BSG. Wie ein  Blick in das SGB V zeigt, müssen gesetzliche Kranken­kassen nur Männern und Frauen künstliche Befruch­tungen finanzieren, die zeugungs­unfähig oder unfruchtbar sind.

Übernehmen Kranken­kassen die Kosten für Behand­lungen im Ausland?

Außerdem hat das BSG heute verneint, dass dem Kläger Gelder von der gesetz­lichen Kranken­ver­si­cherung für Kinder­wunsch­be­hand­lungen zustehen, die er und seine Frau in einer Klinik in Brüssel haben durchführen lassen. Zwar können sich deutsche Versicherte im Ausland behandeln lassen, doch müssen diese Behand­lungen auch zum Leistungs­katalog ihrer hiesigen Versicherung gehören. Darauf hat das BSG heute hingewiesen und damit ein Thema klarge­stellt, dass über den heute verhan­delten Fall hinaus für alle gesetzlich Versicherten gilt.

Dürfen Versicherte Behand­lungen beginnen, bevor die Kasse sie bewilligt hat?

Wichtig für alle Versicherten ist auch: Das BSG hat in seinem heutigen Urteil auch ausgeschlossen, dass dem Kläger bestimmte Kosten finanziert werden, weil dieser die Behand­lungen begonnen hatte, ohne sie sich zuvor von seiner Krankenkasse bewilligen zu lassen. „Versicherte dürfen medizi­nische Behand­lungen aber erst dann anfangen, wenn die Kasse sie ihnen erlaubt“, sagt Rechts­anwalt Martin Schafhausen von der Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „In Notsituation gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz, aber in der Regel müssen Versicherte die Entscheidung der Krankenkasse abwarten.“ Sie riskierten sonst, auf den Kosten sitzen­zu­bleiben.

Haben Sie Fragen zum Kranken­ver­si­che­rungsrecht? Hier finden Sie Sozial­recht­le­rinnen und Sozial­rechtler, die Ihnen helfen.

Datum
Aktualisiert am
21.11.2014
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Themen
Eltern Kinder Kranken­ver­si­cherung Künstliche Befruchtung Präimplan­ta­ti­ons­dia­gnostik

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