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Geburt

Schulter­dystokie bei Geburt nicht erkannt: Grober Behand­lungs­fehler?

Wird eine Schulterdystokie bei der Geburt nicht erkannt, kann das für Mutter und Kind sehr negative Folgen haben. © Quelle: Blend_ImagesClosed/gettyimages.de

Ist ein Embryo unverhält­nismäßig groß, spricht man von einer Makrosomie. Diese kann bei der Geburt zu einer Schulter­dystokie führen. Dabei handelt es sich um eine nach der Geburt des Babykopfes auftretende Schulter­stellung, die dazu führt, dass die Schultern im Becken der Mutter stecken­bleiben. Erkennt der geburts­be­gleitende Arzt in einem solchen Fall die Schulter­dystokie nicht, kann dies ein grober Diagnose- und Behand­lungs­fehler sein.

In dem von der Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitgeteilten Fall hatte sich die werdende Mutter zur Geburt in die Klinik begeben. Während der Geburt vermerkte der behandelnde Gynäkologe im Geburts­bericht „Makrosomie“. Der Säugling kam mit einem gelähmten rechten Arm zur Welt. Er hatte eine erhebliche Verletzung des Plexus brachialis, ein Nerven­ge­flecht aus Spinal­nerven der letzten vier Hals- und des ersten Brustsegments. Bei einer aufwendigen Operation mussten ihm Nerven transplantiert werden.

Verdacht auf Makrosomie: Arzt hätte Mutter aufklären müssen

Die Versicherung des Neugeborenen klagte auf Schadens­ersatz. Der Arzt habe die Mutter trotz des Verdachts der Makrosomie nicht auf die Risiken einer vaginalen Geburt hingewiesen und nicht über die Alternative eines Kaiser­schnitts aufgeklärt. Es hätte zumindest eine sonogra­fische Untersuchung zur Schätzung des Gewichts des Kindes durchgeführt werden müssen. Außerdem habe der Arzt in der Schlussphase der Geburt unter anderem eine Schulter­dystokie übersehen. Auch dies sei ein grober Behand­lungs­fehler.

Infolge der Schulter­dystokie sei es zu der Lähmung gekommen und der Junge habe operiert werden müssen. Kranken­gym­nas­tische Behand­lungen seien gefolgt.

Gericht sieht groben Behand­lungs­fehler des Arztes

Vor Gericht hatte die Klage überwiegend Erfolg. Die Richter zeigten sich überzeugt, dass dem Arzt ein grober Behand­lungs­fehler unterlaufen ist. Sie erläuterten: „Ein grober Behand­lungs­fehler liegt vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behand­lungs­regeln oder gesicherte medizi­nische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt des entspre­chenden Fachs schlech­terdings nicht unterlaufen darf.“

Das Verhalten des Gynäkologen erfülle diese Vorrau­set­zungen, so das Gericht weiter. Dabei sei unerheblich, ob zu Beginn der Geburt eine Ultraschall­un­ter­suchung hätte vorgenommen und die Mutter auf die Möglichkeit einer Schnitt­ent­bindung hätte hingewiesen werden müssen. Es sei nach den Ausfüh­rungen des Sachver­ständigen unverständlich und hätte schlichtweg nicht passieren dürfen, dass der Arzt die Schulter­dystokie entweder nicht erkannt oder nicht ordnungsgemäß auf diese reagiert habe.

Beides stelle einen groben Diagnose- beziehungsweise Behand­lungs­fehler dar: Das Nichter­kennen deswegen, weil der Makrosomie-Verdacht – eine häufige Ursache für eine Schulter­dystokie –, im Raum gestanden habe. Ebenso sei die nicht ordnungs­gemäße Reaktion ein grober Behand­lungs­fehler, weil es sich bei der Schulter­dystokie um einen absoluten klinischen Notfall mit erheblichen Gefahren für Mutter und Kind gehandelt habe.

Oberlan­des­gericht Oldenburg am 15. Oktober 2014 (AZ: 5 U 77/14)

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

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DAV
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Arzt Behand­lungs­fehler Geburt Kinder

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