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Pflege von Angehörigen

Pflege­gesetze: „Es braucht Nachbes­se­rungen“

Quelle: Francis47/ panthermedia.net © Quelle: Francis47/ panthermedia.net

Seit einigen Jahren gibt es stetig neue Gesetze, die die Verein­barkeit von Beruf und der privaten Pflege von Famili­en­an­ge­hörigen erhöhen sollen. Im Interview spricht Rechts­anwalt Martin Schafhausen über geltende rechtliche Bestim­mungen und Nachbes­se­rungs­bedarf der Gesetze.

Anwalt­auskunft: Herr Schafhausen, welche Rechte stehen einem Arbeit­nehmer zu, der seine Mutter oder seinen Vater pflegen möchte?

Martin Schafhausen: Es sind drei Dinge zu unterscheiden. Zunächst kann der Arbeit­nehmer von seinem Arbeitgeber verlangen, kurzfristig von der Arbeit befreit zu werden. Dieser Anspruch gibt dem Arbeit­nehmer das Recht, für bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit fernzu­bleiben. Das Pflege­zeit­gesetz spricht hier von einer „kurzzeitigen Arbeits­ver­hin­derung“. Daneben können Arbeit­nehmer auch für einen längeren Zeitraum Pflegezeit in Anspruch nehmen. Diese Pflegezeit beträgt für jeden zu pflegenden nahen Angehörigen aber höchstens sechs Monate. Der Anspruch besteht jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber 15 oder weniger Arbeit­nehmer beschäftigt.

Anwalt­auskunft: …oder eine Verein­barung abschließen?

Schafhausen: Ja. Drittens kann der Arbeit­nehmer mit seinem Arbeitgeber vereinbaren, dass er Famili­en­pfle­gezeit in Anspruch nimmt. Die Arbeitszeit wird verringert, dementsprechend auch das Entgelt. Zusätzlich stockt der Arbeitgeber das Gehalt um die Hälfte der Kürzung auf. Der Arbeit­nehmer muss dann in der sogenannten Nachpfle­gephase den von dem Arbeitgeber gezahlten Zuschuss dadurch ausgleichen, dass er so lange Vollzeit für ein reduziertes Gehalt arbeitet, bis der Gehalts­vor­schuss ausgeglichen worden ist.  

Anwalt­auskunft: Wird der Arbeit­nehmer auch dann weiterhin bezahlt, sollte er eine monatelange Pflegezeit in Anspruch nehmen wollen?

Schafhausen: In diesem Fall hätte der Arbeit­nehmer nur einen Vergütungs­an­spruch, wenn dies zwischen ihm und seinem Arbeitgeber vereinbart ist oder wenn in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebs­ver­ein­barung vorgesehen ist, dass, unter Umständen nur für eine kurze Zeit, ein Vergütungs­an­spruch besteht. Nur für einige wenige Tage kann es – der Entgelt­fort­zahlung bei Arbeits­un­fä­higkeit ähnlich – einen Vergütungs­an­spruch geben. Für einen längeren Zeitraum besteht dieser nicht.

Anwalt­auskunft: Wie kann ich nachweisen, dass meine Angehörigen pflege­be­dürftig sind?

Schafhausen: Geht es um die kurzfristige Arbeits­ver­hin­derung, muss der Arbeit­nehmer eine ärztliche Beschei­nigung über die (kurzfristige) Pflege­be­dürf­tigkeit eines nahen Angehörigen nur dann vorlegen, wenn der Arbeitgeber es verlangt. Eine Verpflichtung besteht aber, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass man wegen der Pflege nicht zur Arbeit kommen kann und wie lange diese Arbeits­ver­hin­derung dauert. Diese Mitteilung muss unverzüglich erfolgen.

Anwalt­auskunft: Und was ist zu beachten, wenn ein Arbeit­nehmer eine längere Pflegezeit nehmen möchte?

Schafhausen: In diesem Fall muss der Arbeit­nehmer eine Beschei­nigung der Pflegekasse oder des Medizi­nischen Dienstes vorlegen. Daneben muss er rechtzeitig, mindestens zehn Tage vorher, dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen, dass er Pflegezeit in Anspruch nehmen möchte. In dem Schreiben müssen Zeitraum und Umfang angegeben werden.

Anwalt­auskunft: Für welchen Verwandt­schaftsgrad gilt das Pflege­zeit­gesetz?

Schafhausen: Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Pflegezeit nur für „nahe Angehörige“ vor. Dazu gehören unter anderem die eigenen Eltern und die Schwie­ger­eltern, aber auch die Großeltern. Zudem zählen leibliche Kinder, Adoptiv- oder Pflege­kinder dazu, seien es nun eigene Kinder oder Kinder des Ehegatten oder Lebens­partners. Gleiches gilt im Übrigen auch für das Famili­en­pfle­ge­zeit­gesetz.

Anwalt­auskunft: Ihrer Erfahrung nach: Beantwortet das geltende Gesetz alle relevanten Fragen oder gibt es Bedarf zur Nachbes­serung?

Schafhausen: Aus meiner Sicht werden die relevanten Fragen nicht beantwortet. Es gibt einigen Nachbes­se­rungs­bedarf. Dies gilt etwa für den betroffenen Personenkreis, für den man Pflegezeit oder Famili­en­pfle­gezeit in Anspruch nehmen kann. Aus meiner Praxis weiß ich, dass pflege­be­dürftige Menschen nicht nur von nahen Angehörigen gepflegt werden. Oft bildet sich ein Netzwerk, in das auch Nachbarn, Bekannte oder Gemein­de­mit­glieder eingebunden sind. In Zukunft wird der Kreis der Menschen, die pflege­be­dürftig werden und zu Hause gepflegt werden sollen, weiter ansteigen. Der Gesetzgeber sollte überlegen, ob man den anspruchs­be­rech­tigten Personenkreis nicht erweitert. Zudem sind die Regelungen für die Praxis häufig viel zu unhandlich. Dies gilt insbesondere für die Famili­en­pfle­gezeit. So hat das für dieses Gesetz zuständige Bundesamt für familien- und zivilge­sell­schaftliche Aufgaben festge­stellt, dass nur in ganz wenigen Fällen überhaupt eine solche Verein­barung über Famili­en­pfle­gezeit in Anspruch genommen wurde.

Datum
Aktualisiert am
27.06.2014
Autor
ndm
Bewertungen
357
Themen
Arbeit­nehmer Pflege Pflegefall

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