Ein Tierhalter muss grundsätzlich für die Schäden aufkommen, die sein Tier verursacht. Diese Pflicht gilt für Schäden an Menschen sowie an Gegenständen - und unabhängig davon, ob der Tierhalter selbst für die Schäden verantwortlich ist.
Diese sogenannte Gefährdungshaftung eines Tierhalters ergibt sich aus § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und aus der spezifischen Tiergefahr, die der Gesetzgeber annimmt. Danach ist ein Tier grundsätzlich unberechenbar und damit eine Gefahr für andere. Ein Tier ist kein vernünftiges Wesen.
Wer gilt rechtlich als Tierhalter, wer als Tierhüter?
Tierhalter ist derjenige, der darüber entscheidet, ob dritte Personen der Gefahr ausgesetzt werden, die vom Tier ausgeht und die nur unzulänglich beherrschbar ist. Einen Tierhalter macht aus: Er bestimmt über zum Beispiel einen Hund, zahlt die Kosten für das Tier, nimmt den Nutzen des Tieres für sich in Anspruch und trägt das Risiko seines Verlustes.
Tierhüter, auch Tieraufseher genannt, ist hingegen, wer für den Tierhalter die Aufsicht übernimmt. Unter Tierhüter oder Tieraufseher können zum Beispiel Hundesitter oder Hundebetreuer fallen. Erforderlich für die sogenannte Aufsichtsführung sind ausdrückliche oder stillschweigende vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Tieraufseher und dem Tierhalter. Auch ein Tierhüter haftet für die vom Tier ausgehende typische Tiergefahr.
Hund beißt Hund: Welche Kosten zahlt die Haftpflichtversicherung?
In den Fällen, in denen ein Hund einen anderen beißt, stellt sich die Frage, wer haften muss. In der Praxis wollen Haftpflichtversicherungen geschädigten Tierhaltern häufig nur 50 Prozent der Kosten für den Schaden zahlen. Die Versicherungen verweisen darauf, dass die Halterhaftung verschuldensunabhängig sei und diese daher pauschal für 50 Prozent des Schadens selbst aufkommen müssen.
Diese Vorgehensweise berücksichtigt jedoch nicht den konkreten Einzelfall, weshalb sie generell abzulehnen ist. Ein geschädigter Tierhalter muss sich auf eine solche allgemeine Regelung nicht einlassen.
Wenn ein Dritter geschädigt wird, haften Tierhüter und Tieraufseher als sogenannte Gesamtschuldner nach § 840 Abs. 1 BGB gemeinschaftlich. Im Innenverhältnis der Verantwortlichen untereinander sind die Haftenden im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, den Schaden des Geschädigten auszugleichen.
Hundebiss: Haftungsverteilung bei angeleintem Hund
Für Schäden, die durch einen nicht angeleinten Hund entstehen, haftet primär dessen Halter, wie das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in zwei Urteilen entschieden hat (AZ: 13 U 104/00 und AZ 6 U 71/93).
Hundehalter haben die Pflicht, ihre Tiere jederzeit im eigenen Einwirkungsbereich zu haben. Viele Hundehalter nehmen daher ihren Vierbeiner vorsichtshalber beim Spazierengehen immer an die Leine. Kommt es dennoch zum Beißvorfall und war ein Hund angeleint und der andere nicht, so gilt ein anderer Haftungsverteilungsmaßstab. In diesem Fall trägt der Halter des nicht angeleinten Hundes die Kosten für die tierärztliche Behandlung des anderen Tieres alleine, wie das Amtsgericht (AG) Frankfurt entschieden hat (AZ: 32 C 4500/94-39).
Gilt etwas anderes, wenn sich ein angeleinter Hund losreißt? Nach einer Entscheidung des Landgerichts Coburg vom 23. Juli 2010 nicht (AZ: 13 O 37/09). Nach dieser Entscheidung kann der Geschädigte den Ersatz ihm entstehender Schäden in vollem Umfang verlangen, wenn sich ein anderer Hund losreißt oder besser gesagt unkontrolliert losrennt und ihm dadurch Schäden entstehen.
Haftung bei Hundebiss: Welche Rolle spielt das Größenverhältnis der Hunde?
Bei Haftungsfragen nach Hundebissen muss auch der Größenunterschied der beteiligten Hunde berücksichtigt werden. Die von einem großen Hund ausgehende Gefahr ist größer als die Gefahr, die von einem kleinen Hund ausgeht, hat das Amtsgericht München deutlich gemacht (AZ: 242 C 31835/01).
Das OLG Hamm ließ in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1994 die Tiergefahr eines Dackels bei dem Angriff eines Rottweilers vollständig zurücktreten, obwohl der Dackel den Rottweiler erst durch sein Gebell auf sich aufmerksam gemacht hatte (AZ: 6 U 225/92). Das OLG Stuttgart nahm zudem in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 die vollständige Haftung eines frei laufenden Schäferhundes an, der einen angeleinten Dackel angriff (AZ: 10 U 205/01).
Aggressiver Hund und Hundebiss: Wie ändert sich die Frage der Haftung?
Ist ein Hund bereits in der Vergangenheit durch Aggressivität aufgefallen, so sind wegen der hiermit verbundenen erhöhten Gefahren strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Hundehalters zu stellen. Gegebenenfalls muss er durch Anlegen eines Maulkorbes oder sicheres Anleinen verhindern, dass das Tier Menschen anfallen und verletzen oder andere Tiere verletzen kann. Das hat das OLG Karlsruhe entschieden (AZ: 3 Ss 94/00).
Das OLG hielt in diesem Fall den Hundehalter grundsätzlich für verpflichtet, seinen Hund so zu überwachen, dass Verletzungen und Schädigungen anderer Personen verhindert werden. Da dieses Tier bereits schon einmal durch Bösartigkeit aufgefallen war, sind an die Sorgfaltspflichten des Hundehalters besonders strenge Anforderungen zu stellen, die das Gericht als verletzt ansah.
Andreas Ackenheil ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Andreas Ackenheil regelmäßig zum Thema Tierrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.04.2017
- Autor
- Andreas Ackenheil