Noch im Januar 2017 hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg für die Rechtmäßigkeit der Gebühren geurteilt, doch in höherer Instanz fiel die Bewertung anders aus: Im September 2017 erklärte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Strandgebühr für Tagesgäste in einem Grundsatzurteil für rechtswidrig. Die Leipziger Richter stützten sich in ihrem Urteil unter anderem auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der die allgemeine Handlungsfreiheit vorsieht.
Nun müssen auch andere Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste prüfen, ob die von ihnen erhobenen Strandgebühren gegen geltendes Recht verstoßen. Die meisten in Niedersachsen gelegenen Strände sind derzeit gebührenpflichtig, nur an fünf Stränden im Bundesland ist ein kostenloser Zugang möglich.
Strandgebühren an der Nordsee: Worum ging es?
Ob Kurtaxe, Abgabe oder wie in diesem Falle Eintritt - in vielen Orten ist ein Besuch am Strand für Badegäste nicht umsonst. In den Badeorten Hooksiel und Horumersiel-Schillig wurden bisher von auswärtigen Gästen für den Zugang zum mit Zäunen abgesperrten Strand von April bis Oktober drei Euro verlangt. Dagegen wehrten sich zwei Bürger aus Nachbargemeinden. Sie forderten den Gratiszugang zumindest zu bestimmten Abschnitten und klagten sich durch die Instanzen.
Nach Angaben der Initiative „Für freie Strände“ gab es bisher in Niedersachsen eine Abgabepflicht an rund 120 von 134 Strandkilometern - nach dem Urteil des BVerwG ist fraglich, ob das auch in Zukunft so bleiben wird.
Streit um Gebühren für Strandzugang: Wie argumentierten die Kläger?
Nach Ansicht der Initiative „Für freie Strände“ verstieß der Eintritt gegen das Bundesnaturschutzgesetz. "Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet“, heißt es dort in Paragraf 59. Für die Strände gelte das allgemeine Betretungsrecht und müsse in angemessenem Umfang gewährt werden. In anderen Bundesländern sei gesetzlich vorgesehen, dass es in angemessenem Umfang gebührenfreie Strände gebe, so die Kläger.
Freier Zugang zum Strand: Wie argumentierte die beklagte Gemeinde?
Die Gemeinde Wangerland wollte auf die Einnahmen aus dem Strandeintritt nicht verzichten. Sie fließen in die Pflege des ohnehin teilweise künstlich angelegten Strandes sowie eines Spielplatzes und der Parkflächen. „Sollte die Initiative Erfolg haben, so müssten wir zur Refinanzierung auf andere Finanzierungsmöglichkeiten wie etwa auf eine Parkgebühr oder einen Tageskurbeitrag ausweichen“, hatte Bürgermeister Björn Mühlena argumentiert.
Streit um Strandgebühren: Wie haben die Richter des BVerwG ihr Urteil begründet?
Dass die Gemeinde den Strand sauber halte und immer wieder Sand aufschütte, reiche als Begründung nicht aus, um an fast dem gesamten Küstenabschnitt eine Eintrittsgebühr zu erheben, argumentierte die Leipziger Richter. Das sei nur dort rechtens, wo die Gemeinde etwa mit Kiosken, Umkleidekabinen und Toiletten auch für eine höhere Badequalität sorge. Dort müssen die Kläger auch weiter Eintritt zahlen.
Muss man in anderen Bundesländern zahlen, wenn man den Strand besuchen will?
Auch in den Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern muss mancherorts für den Strandzugang bezahlt werden, doch sind große Gebiete kostenfrei. An wie vielen Stränden Urlauber zur Kasse gebeten werden, erheben die Tourismusverbände nicht. Muss bezahlt werden, ist mit Kontrollen statt Zäunen zu rechnen. „Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern keine Orte mit Strandgebühr und auch keine Zäune, doch fordern manche Kurorte Gebühren über eine Kurtaxe“, sagt dazu Tobias Woitendorf vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern. „Wir haben mehrere Hundert Kilometer Strand außerhalb der Orte, auf denen keinerlei Gebühren erhoben werden.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.09.2017
- Autor
- dpa/red