Videospiel-Unternehmen und App-Entwickler haben ein profitables Geschäftsmodell etabliert: Das „Freemium“-Konzept. Freemium-Apps können zunächst gratis heruntergeladen und benutzt werden. Wer jedoch den vollen Umfang des Programms oder Spiels nutzen möchte, muss dann innerhalb der App mit Geld bezahlt werden. Ein prominentes Beispiel ist das, auch in Deutschland sehr beliebte, Mobile-Game „Candy-Crush“. Schafft ein Spieler dort ein Level mehrmals hintereinander nicht, wird eine Wartezeit von einer halben Stunde aktiviert. Mit einem „In-App“-Kauf lässt sich diese Wartezeit umgehen.
Besonders Kindern fällt es manchmal schwer, lockenden Angeboten dieser Art zu widerstehen. Oft können sie auch aufgrund ihres Alters nicht einschätzen, ob und in welcher Höhe sie Kosten verursachen. Die Eltern bemerken erst, was der Nachwuchs treibt, wenn die Rechnung im Briefkasten landet. Zähneknirschend zu bezahlen ist hier oft nicht die einzige Lösung.
Appell an die Kulanz des Anbieters kann bereits Schlichtung bringen
Es lohnt sich in jedem Fall, zunächst an die Kulanz der Anbieter zu appellieren. Oftmals stornieren diese die fraglichen Rechnungen, wenn Kunden die Lage nachvollziehbar schildern. Eine beratende Rechtsfachkraft kann dabei eine große Hilfe in der Kommunikation mit den entsprechenden Unternehmen sein, denn sie weiß, wie derartige Anliegen zu formulieren sind. Außerdem kann eine Anwältin oder ein Anwalt zunächst prüfen, inwiefern der Zahlungsanspruch grundsätzlich überhaupt gerechtfertigt ist.
Ab dem siebten Geburtstag sind Kinder zwar bedingt geschäftsfähig, ohne Zustimmung der Eltern dürfen sie aber keine Verträge abschließen und somit auch nicht im Netz einkaufen. Verursacht das Kind allerdings mit dem Handy Kosten, ist die Rechtslage etwas komplizierter. Denn Mobiltelefone laufen in der Regel auf den Namen eines Elternteils. Falls Kinder Nutzerkonten der Eltern für Onlinekäufe missbrauchen, liegt es an den Eltern, diesen Missbrauch zu beweisen. Dies dürfte in vielen Fällen schwierig sein. Außerdem müssten Eltern hier den Nachweis erbringen, dass sie nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Konnte das Kind ohne zusätzliche Sicherheitsabfrage Käufe tätigen, stehen die Chancen besser, die Käufe rückabzuwickeln. Die deutsche Justiz handelt bei solchen Fällen überwiegend verbraucherfreundlich.
BGH-Urteil: Eltern haften nicht für Käufe ihrer Kinder über 0900er-Nummern
Für Rechtssicherheit seitens der Eltern hat der Bundesgerichtshof (BGH) im April 2017 gesorgt: Wenn Kinder hinter dem Rücken ihrer Eltern über teure 0900er-Telefonnummern einkaufen, müssen diese nicht die Rechnung bezahlen. Solange sie die Zahlung als Anschlussinhaber nicht autorisiert haben, haftet grundsätzlich der Dienstleister, urteilte der BGH (Az: III ZR 368/16).
Konkret verhandelt wurde vor dem höchsten deutschen Gericht der Fall einer Mutter, die dazu aufgefordert wurde eine Rechnung von gut 1250 Euro begleichen. Ihr 13-jähriger Sohn hatte ein an sich kostenloses Computerspiel gespielt. Für dieses zunächst kostenlose Onlinespiel, ebenfalls gestaltet nach dem „Freemium“-Prinzip, konnten gegen Entgelt zusätzliche virtuelle Ausrüstungsgegenstände erworben werden. Diese Möglichkeit nutzte der 13-jährige und rief 21-mal eine kostenpflichtige, auf der Internetseite des Spielebetreibers angegebene, „Pay by call“ 0900er-Nummer an.
Urteil nicht nur für Eltern, sondern alle Anschlussinhaber gültig
Die Entscheidung gilt nicht nur für Eltern, sondern für jeden Anschlussinhaber, über dessen Anschluss teure „Pay by Call“-Nummern angerufen wurden, ohne das er dazu zuvor sein Einverständnis erteilt hat. Die Rechtssprechung schlug sich also in diesem Fall klar auf die Seite der Verbraucher.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 06.04.2017
- Autor
- psu