Was war geschehen? Eine Pferdetrainerin sollte für den Pferdehalter einen „Grauschimmel“ ausbilden. Sie holte das Pferd beim Pferdehalter ab und verbrachte es zu ihrem Gelände. Dort musste sie es aus dem Anhänger ausladen. Hierbei trat das Pferd die Trainerin und verletzte diese am Kniegelenk. Sie erlitt eine Kniegelenksluxation rechts, wobei sämtliche Bänder im rechten Knie beschädigt wurden, weshalb sie Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Pferdehalter verlangte.
Rechtliche Lage
Das OLG Koblenz entschied, dass dem Pferdetrainer kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus dem Pferdetritt zusteht (2 W 600/12). Das Gericht war der Auffassung, dass zwar grundsätzlich der Tierhalter nach § 833 Satz 1 BGB für alle Schäden haftet, die durch sein Tier verursacht wurden. Dies auch unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht, sogenannte verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung. Die Haftung ist aber dann ausgeschlossen, wenn sich der Geschädigte in eine Position drohender Eigengefährdung begibt bzw. eine über das normale Risiko hinausgehende Gefährdung billigend in Kauf nimmt. Diese erhöhte Risikogefährdung nahm das Gericht an, da die Pferdetrainerin das Pferd zur Ausbildung holte, die alleinige Sachherrschaft über das Tier zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte und keinen Dritten zur Mithilfe beim Entladen hinzuzog. Der Schaden ist daher erheblich eigenverschuldet entstanden.
Mit dem Tritt des Pferdes hat sich zwar eine typische Tiergefahr verwirklicht. Diese typische Tiergefahr ist jedoch im Zusammenhang mit dem Risiko zu sehen, welche die Pferdetrainerin bewußt zur Ausübung ihrer Tätigkeit eingegangen ist. Sie hat die Ausbildung des Pferdes gegen Vergütung übernommen, sich im eigenen Erwerbsinteresse der Tiergefahr ausgesetzt und zum Zeitpunkt des Unfallhergangs auch die alleinige Herrschaft über das Pferd. Der Pferdhalter hatte keine Möglichkeit, im Zeitpunkt des Unfalls auf sein Pferd einzuwirken. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Pferdetrainerin allein und ohne Mithilfe anderer Personen versuchte das Pferd aus dem Anhänger auszuladen. Sie hat dadurch eine Risikoerhöhung der Verwirklichung einer Tiergefahr bewusst in Kauf genommen. Begibt sich die Geschädigte daher bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung mit bewusster Risikogefährdung, so muss der Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung in Anbetracht des Handelns auf eigenes Risiko zurücktreten. Ebenso hatte bereits der Bundesgerichthof im Jahre 2005 entschieden (BGH VII ZR 225/04).
Anders mag die Situation zu bewerten sein, wenn bei sachgerechter Tätigkeit ein Schaden entsteht. So kann bspw. nach Urteil des OLG Hamm aus dem Jahre 2015 (14 U 19/14) ein Hufschmied, der seine Tätigkeit korrekt ausübte, Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Der Hufschmied konnte u.a. nachweisen, dass ihn kein Mitverschulden an der Schadensverursachung traf.
Die Rechtsprechung ist in solchen Fällen als uneinheitlich anzusehen, weshalb der konkrete Einzelfall zu berücksichtigen ist.
Fazit
Die Grundsätze der Tierhalterhaftung gelten zwar auch gegenüber einer Trainingsperson, jedoch muss hier die Risikoerhöhung berücksichtigt werden. Wer sich jedoch im eigenen Erwerbsinteresse der Tiergefahr ausgesetzt läuft Gefahr, auf dem Schaden selbst sitzen zu bleiben.
Tieranwalt Andreas Ackenheil ist Anwalt mit dem Schwerpunkt Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Herr Ackenheil regelmäßig zum Thema Tierrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 28.09.2015
- Autor
- Andreas Ackenheil