Für Reiter ist es unbestritten einfacher, einen Wallach zu halten als einen Hengst – weshalb nicht gekörte Hengste im Reitsportbereich in der Regel kastriert werden. Was passiert aber, wenn es bei der Operation zu Komplikationen kommt und das Tier eingeschläfert werden muss? Unterlaufen einem Tierarzt Behandlungsfehler, muss er dafür haften. So entschied des Oberlandesgericht (OLG) Hamm.
Der Fall: Hengst verstirbt nach Kastration durch Tierarzt
Die Kastration eines Hengstes gehört zu den am häufigsten nachgefragten medizinischen Eingriffen aus dem Pferdebereich. Aufgrund dessen sich die Kastration eines Hengstes mittlerweile zu einer Art "Routinebehandlung" entwickelt, die zum tiermedizinischen Leistungsangebot jeder Pferdeklinik und auch der meisten Tierärzte gehört.
Im zugrundeliegenden Fall beauftrage eine Pferdebesitzerin ihren Tierarzt mit der Kastration ihres Hengstes. Bei dem im Oktober 2013 in Vollnarkose am liegenden Pferd durchgeführten Eingriff kam es zu Komplikationen, in deren Folge der Hengst in die Tierklinik verlegt werden musste. Hier wurde der Hengst operativ versorgt.
Nach aufgetretener Myopathie und einem Multiorganversagen konnte das Pferd nicht in den Stand gebracht und musste letztlich eingeschläfert werden. Die Pferdebesitzerin beschuldigte den Tierarzt, er habe sie über die Risiken des Eingriffs unzureichend aufgeklärt, zudem seien ihm bei dem Eingriff Behandlungsfehler unterlaufen. Sie verlangte von ihrem Tierarzt nun die Kosten der tierärztlichen Behandlung und den Kaufpreis des Pferdes als Wertersatz.
Tierarzt muss über Risiken und Methoden aufklären
Das OLG Hamm gab der Pferdehalterin Recht: Der Tierarzt habe seine obliegende Aufklärungspflicht verletzt, weil er die Pferdebesitzerin nicht über die verschiedenen Kastrationsmethoden und deren unterschiedliche Risiken aufklärte. Außerdem habe die schließlich im Liegen durchgeführte Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprochen. Die tierärztlich fehlerhaft vorgenommene Kastration des Pferdes führte nach Ansicht des Gerichts zum späteren Tod des Tieres, der somit dem Tierarzt zuzurechnen sei.
Gericht: Tierarzt hat groben Behandlungsfehler begangen und muss haften
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Tierarzt haften müsse, da die von ihm durchgeführte Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprach und er vor tiermedizinischen Operationen seiner Aufklärungspflicht hätte nachkommen müssen. Zugunsten der Pferdebesitzerin greife an Ansicht des Gerichts die sogenannte Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass nicht die Klägerin ein Fehlverhalten des Arztes belegen muss, sondern der Tierarzt beweisen müsste, dass ein keinen Behandlungsfehler begangen hat. Das OLG Hamm verurteile den Tierarzt wegen grober Behandlungsfehler und insbesondere auch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten.
Andreas Ackenheil ist Anwalt mit der Spezialisierung Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Tierarzthaftung, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Herr Ackenheil als Tierrechtsexperte regelmäßig zum Thema Tierrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.11.2016
- Autor
- Andreas Ackenheil