Der Kläger ging am 16. Juli 2011 an dem Grundstück der Beklagten vorbei. Sein Labrador-Mischling war ordnungsgemäß angeleint und ging „bei Fuß“. Die Hundeleine hatte der Hundehalter um sein linkes Handgelenk gewickelt. Auf dem Grundstück der Beklagten befand sich deren Hund, ein Golden Retriever. Dieser zwängte sich durch die etwa einen Meter hohe Hecke, durch die das Grundstück von dem Weg abgegrenzt war, und rannte auf den Kläger und dessen Hund zu. Es kam zu einem Gerangel zwischen den Hunden, wobei der Hund der Beklagten immer wieder am Kläger hochsprang. Zwischen den Hunden stehend und mit der sein Handgelenk umwickelnden Leine war der Kläger in seiner Abwehr eingeschränkt und konnte sich nicht befreien. Der Kläger trug blutende Wunden davon, seine Brille wurde beschädigt und seine Kleidung beschmutzt.
Während ihm durch das Landgericht Erfurt noch Schmerzensgeld und Schadensersatz von insgesamt 3.560,00 € zugesprochen wurde reduzierte das Thüringer Oberlandesgericht diese Summe auf 2.660,10 €.
Der BGH hob das Urteil nun auf und verwies es zur erneuten Prüfung an das OLG zurück.
Das OLG hatte die Beklagte verpflichtet, dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, soweit diese auf den Hundebiss zurückzuführen waren. Der Kläger müsse sich hierbei kein eigenes Mitverschulden anrechnen lassen, da er nichts unternommen habe, um in den Streit zwischen den Hunden einzugreifen. Er müsse sich, so die Richter, auch nicht die eigene Tiergefahr seines Hundes anrechnen lassen. Auch wenn der Hund der Beklagten höchstwahrscheinlich nicht auf den Kläger losgegangen wäre, wenn dieser ohne Hund unterwegs gewesen wäre, stelle allein der Umstand, dass der Kläger seinen Hund angeleint bei sich geführt habe, keinen dem Kläger zurechenbaren Verursachungsbeitrag für den entstandenen Schaden dar. Allein die Tatsache, dass der Hund des Klägers ein Hund sei, begründe keine Mithaftung des Klägers, so die Richter.
Der BGH ist nun der Auffassung, dass bei einer Rangelei grundsätzlich die eigene Tiergefahr mit zu berücksichtigen sei. Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt. Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (so etwa für den von läufigen Hündinnen ausgehenden Duft). Für die vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Tierhalter kommt es sodann darauf an, mit welchem Gewicht konkret sich das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential in der Schädigung manifestiert hat.
Entgegen der Auffassung des OLG fanden die Richter des BGH gerade nicht, dass sich in der Situation, in der der Kläger von dem Hund der Beklagten gebissen wurde, die Rolle seines Hundes darauf beschränkte, ein an der Leine geführter Hund zu sein. Es fanden ein Gerangel und ein Kampf zwischen den Hunden statt, von dem sich der zwischen den Hunden stehende Kläger nicht entfernen konnte, und in dessen Verlauf er von dem Hund der Beklagten gebissen wurde. Es hat sich damit in der Bissverletzung die von beiden Hunden ausgehende Tiergefahr mitursächlich verwirklicht. Was letztlich Auslöser des Gerangels war und welcher der beiden Hunde in dem Geschehen eine über- oder untergeordnete Rolle einnahm ist für die Begründung der Mithaftung unbeachtlich, so die Richter.
Eine Tiergefahr des Labrador-Mischlings dürfte allerdings dann nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn die Beklagte den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Da sich der Golden Retriever der Beklagten durch die Einzäunung des Grundstückes zwängen konnte hat sie den Schaden wenigstens fahrlässig verursacht. Auch hat sie ihren Hund wohl nicht ausreichend beaufsichtigt. Der BGH hat daher die Sache an das OLG zur weiteren Prüfung zurück verwiesen.
Die Frage stellt sich daher nicht, ob man haftet, sondern eher wie Hoch diese Haftung ausfällt.
Andreas Ackenheil ist Anwalt mit dem Schwerpunkt Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Herr Ackenheil regelmäßig zum Thema Tierrecht.