Für alle Tiere in Deutschland war der 1. August 2002 ein besonderer Tag. Denn an diesem Tag nahm der Gesetzgeber den Tierschutz als so genanntes Staatsziel in das Grundgesetz auf. Seitdem besteht für den Staat und seine handelnden Organe ein verbindlicher Auftrag, den Tierschutz aktiv und umfassend zu fördern. Diese Verfassungsänderung hatte auch Folgen für das Tierschutzgesetz (TierSchG) und dieses stark aufgewertet.
Nach § 1 TierSchG trägt der Mensch die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf und hat dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. In dem Artikel heißt es auch: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Wer ein Tier hält oder betreut, muss es nach § 2 TierSchG tiergerecht ernähren, unterbringen und pflegen. Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften können als Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbestände geahndet werden (§ 17 und 18 TierSchG).
Kastration von Tieren: Nach dem Tierschutzgesetz erlaubt?
Für Diskussionen sorgt immer wieder das Thema Kastration von Tieren. Nach dem Tierschutzgesetz ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen eines Wirbeltieres verboten. Kastrationen gelten rechtlich als Amputationen.
Erlaubt sind medizinische Eingriffe in den Körper eines Tieres, also etwa seine Kastration, im Einzelfall nur dann, wenn eine tierärztliche Indikation vorliegt. Erlaubt sind Kastrationen auch, wenn die unkontrollierte Fortpflanzung eines Tieres verhindert oder, wenn tierärztliche Bedenken dem nicht entgegenstehen, ein Tier zu seiner weiteren Nutzung oder Haltung unfruchtbar gemacht werden soll (§ 6 Abs. 1 Nr.5 des TierSchG).
Frei laufende Katzen beispielsweise pflanzen sich unkontrolliert fort, weswegen sie nach der bestehenden Rechtslage kastriert werden dürfen. Daher haben auch viele Gemeinden verfügt, dass Katzenhalter, die ihr Tier nach draußen lassen, dieses vorher von einem Tierarzt kastrieren lassen müssen. Für die Zucht von Rassekatzen sind Ausnahmen von dieser Pflicht möglich.
Regeln für Tiere: Müssen Hunde kastriert werden?
Für Haushunde gelten demgegenüber andere Regeln. So heißt es im Tierschutzbericht der Bundesregierung: Bei Familienhunden, die in „geordneten Verhältnissen“ lebten, könne eine Fortpflanzungskontrolle bereits mit weniger tief greifenden Eingriffen möglich sein. Die Kastrationspflicht ist für Hunde also stark gelockert.
Nur Hunde, die etwa wiederholt damit aufgefallen sind, dass sie unerlaubt Hündinnen belegt haben, dürfen kastriert werden. Doch das sind Ausnahmen, zumal Tierhalter nach den Vorgaben vieler Gemeinen dazu angehalten sind, ihre Hunde an der Leine zu führen und Hunde daher nicht unbedingt frei herumlaufen dürfen.
Hund aus dem Tierheim: Muss man das Tier kastrieren lassen?
Da es für Hunde in der Regel keine Kastrationspflicht gibt, sind auch Tierüberlassungsverträge aus Tierheimen, die die Kastration eines Hundes verbindlich fordern, vertragsrechtlich bedenklich und in ihrer Ausgestaltung oft unwirksam. Viele Tierheime stützen sich bei dieser Praxis auf § 6 TierSchG, der die weitere Nutzung und Haltung eines Tieres beschreibt.
Demgegenüber hat das Amtsgericht Alzey festgestellt: Die Durchführung der Kastration bei einem Hund widerspreche § 1 des TierSchG, da dem Tier „ohne vernünftigen Grund“ weder Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen. Liege für das Tier zusätzlich noch ein Narkose- oder Eingriffsrisiko vor, verbiete sich ein solcher Eingriff ohnehin (AZ: 22 C 903/95).
Insofern sollten Tierheime umdenken, zumal die es immer bessere und sicherere tiermedizinische Möglichkeiten gibt, eine Kastration zu vermeiden.
Muss der Tierarzt der Kastration eines Hundes zustimmen?
Sein Tier kastrieren zu lassen ist für jeden Hundehalter eine schwierige Entscheidung, die gut überlegt sein will. Ein Tierarzt kann aber dabei helfen, eine gute Entscheidung zu treffen.
Wie schon beschrieben, ist jeder Eingriff in den Körper eines Tieres nur nach tierärztlicher Indikation erlaubt. Ein Tier darf also nicht etwa aus reiner Bequemlichkeit heraus kastriert werden. Der Tierarzt muss in jedem Einzelfall prüfen und zu seiner Sicherheit auch entsprechend dokumentieren, ob eine Krankheit vorliegt, die eine Kastration rechtfertigt. Oder ob eine drohende Erkrankung durch die Kastration verhindert werden kann. Er muss also einer Kastration zustimmen – und dabei abwägen, ob der Nutzen des Eingriffs mögliche Nachteile oder Risiken überwiegt.
Wer beispielsweise einen Hund ohne medizinische Indikation kastrieren lässt, verstößt gegen das Tierschutzgesetz und macht sich letztlich strafbar. Dass eine medizinische Indikation vorliegen muss, spiegelt den Fakt wider, dass jeder operative Eingriff, ob schwierig oder für die behandelnden Tierärzte reine „Routine“, Risiken in sich birgt, die man dem Tier zu Liebe nach Möglichkeit vermeiden sollte.
Die Kastration eines Hundes kann aber nötig sein, wenn andere Maßnahmen zur Verhinderung einer ungewollten Fortpflanzung wie etwa kontrolliertes Ausführen und Beaufsichtigen tatsächlich keinen Erfolg gebracht haben. „Eine Kastration kann auch bei hormonbedingter Aggressivität erforderlich werden, wenn Mensch oder Tier gefährdet sind“, so Andreas Ackenheil.
Bestimmten Szenarien kann man aber auch mit praktischen Maßnahmen begegnen: So sind im Fachhandel „Läufigkeitshosen“ für Hündinnen erhältlich, die eine ungewollte Belegung sicher und zuverlässig verhindern. Zudem sollte eine Hündin gerade in der Zeit der Läufigkeit immer an der Leine geführt werden, so dass der Tierhalter schnell eingreifen kann, um eine ungewollte Belegung zu verhindern. Solche Maßnahmen sind einer Kastration in jedem Falle vorzuziehen.
Andreas Ackenheil ist Anwalt mit dem Schwerpunkt Tierrecht (Hunderecht, Pferderecht, Recht rund um das Tier) und betreibt einen eigenen Blog, der unter www.der-tieranwalt.de aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Andreas Ackenheil regelmäßig zum Thema Tierrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 21.12.2016
- Autor
- Andreas Ackenheil/ime