
Die ältere Generation wird sich vielleicht noch an ihn erinnern oder hat sogar unter ihm gelitten - § 175 im Strafgesetzbuch. Danach waren homosexuelle Handlungen zwischen Männern verboten, eine Haftstrafe konnte die Folge sein. Seitdem hat die Politik zahlreiche Regelwerke erlassen, die gleichgeschlechtlich Liebende vor Diskriminierung schützen und ihnen mehr Rechte geben.
Homosexuelle: Diskriminierung wegen sexueller Orientierung?
Der im Kaiserreich in Kraft getretene § 175 galt bis 1994, danach strich ihn der Gesetzgeber und markierte damit den Beginn einer juristischen Gleichstellung nicht nur schwuler Männer, sondern aller Homosexuellen. Im März 2017 hat die Bundesregierung dann die Weichen dazu gestellt, dass Homosexuelle, die noch nach dem Paragraphen 175 verurteilt wurden, rehabilitiert werden können. Am 22. März beschloss das Kabinett den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas. Dem Entwurf zufolge sollen die Urteile aufgehoben werden und die Verurteilten eine finanzielle Entschädigung erhalten.
Bereits 2006 erließ der Gesetzgeber einen Meilenstein auf dem Weg zu einer Gesellschaft mit weniger Diskriminierung und mehr rechtlicher Gleichstellung gleichgeschlechtlich Liebender: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), besser bekannt als Antidiskriminierungsgesetz. Es verbietet, Menschen etwa wegen ihrer sexuellen Orientierung zu benachteiligen und ihnen deshalb zum Beispiel einen Job nicht zu geben oder ihnen sogar zu kündigen. Geschieht dies doch oder besteht der Verdacht, dass die sexuelle Präferenz der Kündigungsgrund sein könnte, steht Betroffenen der Klageweg offen und darüber eine Entschädigung zu erhalten.
Homosexuelle Paare: Was ist eine eingetragene Lebenspartnerschaft?
Doch nicht nur dieses Gesetz hat die Diskriminierung homosexueller Menschen eingeschränkt und ihnen die rechtliche Gleichstellung eröffnet. Das taten insbesondere auch das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) von 2001 sowie das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts von 2005. Das erste Gesetz erlaubte die umgangssprachlich manchmal „Homo-Ehe“ genannte Lebenspartnerschaft in Deutschland, das zweite Gesetz öffnete viele der Regeln, die bis dahin Eheleuten vorbehalten waren, auch für homosexuelle Lebenspartner.
Homosexuelle Lebenspartner konnten seitdem in vielen Bereichen ähnliche Privilegien nutzen wie Eheleute - im Gegensatz zum Beispiel zu Paaren, die nicht miteinander verheiratetet oder verpartnert sind.
Aus rechtlicher Sicht war eine eingetragene Lebenspartnerschaft der juristische Rahmen gleichgeschlechtlicher Beziehungen, er definiert Rechte und Pflichten der Partner.
Nur zwei Menschen gleichen Geschlechts können sich verpartnern und das auch nur vor einem Standesamt. „Lebenspartnerschaften sind Ehen rechtlich zwar nicht komplett, aber weitgehend gleichgestellt“, erklärt der Hamburger Rechtsanwalt Gerd Uecker vom Vorstand des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Ehe für gleichgeschlechtliche Paare: Was ändert sich?
Seit Oktober 2017 ist die Ehe in Deutschland auch für gleichgeschlechtliche Paare offen. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft können Paare seitdem nicht mehr begründen. Wer eine Lebenspartnerschaft geschlossen hat, kann diese auf dem Standesamt in eine Ehe umwandeln lassen. Automatisch geschieht dies nicht.
Gleichgeschlechtliche Ehepartner: EuGH legt Freizügigkeit innerhalb der EU fest
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte gleichgeschlechtlicher Partner mit einem Urteil zur Freizügigkeit innerhalb der EU weiter gestärkt. Die Luxemburger Richter entschieden: Die Ehepartner von EU-Bürgern erhalten in der EU ein Aufenthaltsrecht, unabhängig davon, ob es sich um eine gemischt- oder gleichgeschlechtliche Ehe handelt (Rechtssache C-673/16). Das gilt auch in Ländern, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkannt ist. Das Urteil, das am 5. Juni 2018 verkündet wurde, verpflichtet diese Staaten jedoch nicht, die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen. Geklagt hatte ein Rumäne, der seinen US-amerikanischen Ehemann nachholen wollte. Ehen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen sind dort nicht anerkannt.
Familienrecht, Steuern, Erben, Krankenversicherung, Witwenrente: Rechtliche Gleichstellung von Lebenspartnern?
Paare, die die eingetragene Lebenspartnerschaft weiterhin erhalten wollen, können dies tun.
Lebenspartner sind Ehepaare bereits in einigen Aspekten gleichgestellt. Das zeigt sich in zahlreichen Rechtsgebieten. Einige Beispiele:
Im Familienrecht gilt: Angehende Lebenspartner dürfen sich vor der Verpartnerung verloben. Dabei gelten wie bei Eheleuten auch mögliche Ehehindernisse: Ist einer der Partner also bereits verlobt oder verpartnert, schließt das eine Lebenspartnerschaft aus.
Wie Ehen sind auch Lebenspartnerschaften Zugewinngemeinschaften. Hat ein Paar nichts anderes vereinbart, gehört der in der Lebenspartnerschaft erwirtschafte Gewinn beiden Partnern. Auch sind Lebenspartner zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet: Nach einer Trennung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft, dem Äquivalent zur Ehescheidung, greifen auch die Regeln des Unterhaltsrechts und des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Wer sich verpartnert, kann, wie bei einer Ehe einen gemeinsamen Namen wählen, muss dies aber nicht tun.
Im Steuerrecht gilt: 2013 verwarf das Bundesverfassungsgericht die ungleiche steuerliche Behandlung von Ehen und Lebenspartnern (AZ: 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, 2 BvR 909/06). Seitdem können gleichgeschlechtliche Paare etwa das Ehegattensplitting nutzen und sogar rückwirkend ab 2001 geltend machen.
Im Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht gibt es ebenfalls die vollständige Gleichstellung. Bei Schenkungen und Erbschaften können sie gleich hohen Freibeträgen profitieren, wie Eheleute sie nutzen können.
Bei der Grunderwerbssteuer werden Lebenspartner seit 2010 wie verheiratete Paare behandelt. „Die Partner müssen keine Grunderwerbssteuer zahlen, wenn sie ein Grundstück des anderen durch Veräußerung erwerben“, so Uecker.
Im Sozialrecht gilt: Lebenspartner können sich in der sozialen Krankenversicherung familienversichern, sie haben die gleichen Rentenansprüche wie Verheiratete. So wie für sie, gelten auch für Lebenspartner die Regeln zum Bezug von Elterngeld oder anderer staatlicher Leistungen. Kaum Unterschiede gibt es seit 2005 bei der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Unfallkasse.
Rechtliche Unterschiede zwischen homosexuellen Lebenspartnern und Eheleuten
„Allerdings haben noch nicht alle berufsständischen Versorgungswerke die Hinterbliebenenversorgung an die eingetragene Lebenspartnerschaft angepasst“, sagt Rechtsanwalt Uecker.
Im Familienrecht findet man rechtliche Unterschiede zum Beispiel bei der sogenannten Fähigkeit zur Lebenspartnerschaft. Diese tritt bei homosexuellen Partnern erst mit dem 18. Geburtstag ein. Weitere rechtliche Unterschiede finden sich in einigen europarechtlichen Vorgaben zu Scheidungen und dem Sorgerecht für Kinder.
Homosexuelle Paare: Schließen Lebenspartner eine Ehe?
„Zu den größten Unterschieden zwischen eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen zählt rechtlich die Tatsache, dass eingetragene Lebenspartner keine Ehen schließen“, sagt der Familienrechtsexperte Gerd Uecker. Zwar sind Lebenspartnerschaften in ihren Rechtsfolgen mit Ehen vergleichbar, begründen aber einen eigenen Familienstand.
Rechtliche Gleichstellung und Adoption von Kindern: Dürfen homosexuelle Paare Kinder adoptieren?
Einer der wohl größten Unterschiede zwischen Lebenspartnerschaften und Ehen besteht darin, dass homosexuelle Paare kein uneingeschränktes Adoptionsrecht für ein Kind oder Kinder haben, sie dürfen Kinder also nicht gemeinsam adoptieren.
Im Februar 2014 lag diese Regel dem Bundesverfassungsgericht zur Bewertung vor, doch Deutschlands oberste Richter wiesen die vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg vorgelegte Vorlage als nicht ausreichend begründet ab.
Die Rechtslage bei der Adoption von Kindern durch ein homosexuelles Paar sieht aktuell so aus: Erlaubt ist homosexuellen Paaren die Stiefkindadoption, nach der ein Partner das leibliche Kind des anderen adoptieren darf. Der adoptierende Elternteil erwirbt das kleine Sorgerecht für das Kind. Wie bei heterosexuellen Beziehungen auch, muss der leibliche Elternteil der Adoption zustimmen.
Diese Rechtslage hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem im April 2015 ergangenen Urteil explizit klargestellt. Eine Ausnahme besteht den Richtern zufolge nur dann, wenn das Kind mit einer anonymen Samenspende gezeugt wurde (AZ: XII ZR 473 /13).
Homosexuellen Paaren steht darüber hinaus die Sukzessivadoption von Kindern offen. Dabei darf ein Partner das adoptierte Kind des anderen adoptieren darf. Diese Form der Adoption erlaubte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2013.
Pflegekind: Darf ein homosexuelles Paar gemeinsam die Vormundschaft für ein Pflegekind übernehmen?
Angelehnt an dieses Urteil urteilte das Amtsgericht München im August 2016, dass zwei Pflegemütter gemeinsam die Vormundschaft für ein Kind übernehmen dürfen. Die beiden Frauen, die in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft zusammenleben, hatten die Vormundschaft für ihren zehn Jahre alten, lange bei ihnen lebenden Pflegesohn gemeinsam beantragt (AZ: 551 F 7061/12 RE). Das Gericht schließe damit eine „Regelungslücke", wie es in einer Gerichtsmitteilung heißt.
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