Bei der Entscheidung über die Religionszugehörigkeit steht das Wohl des Kindes im Vordergrund. Gehören die Eltern zwei verschiedenen Glaubensgemeinschaften an, ist eine Möglichkeit, mit der Entscheidung über den Zutritt des Kindes in eine der beiden Religionsgemeinschaften zu warten, bis Kind 14 Jahre alt ist. Dann kann es über eine Zugehörigkeit selbst entscheiden. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und verweist auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm.
Das Gericht urteilte über folgenden Fall: Die geschiedenen Eltern zweier achtjähriger Kinder hatten das gemeinsame Sorgerecht. Der Vater war Moslem, die Mutter Christin. Aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung gehörten die Kinder noch keiner Religionsgemeinschaft an. Die Kinder lebten seit der Scheidung bei der Mutter und besuchten dort die katholische Grundschule. In der Schule nahmen sie regelmäßig am katholischen Religionsunterricht teil und besuchten den Schulgottesdienst.
Die Mutter beabsichtigte, die Kinder taufen und an der Erstkommunion teilnehmen zu lassen. Der Vater war hiermit nicht einverstanden. Die Mutter beantragte, ihr die Entscheidung über Taufe und Kommunion zu übertragen.
Kann ein Elternteil allein über die Religionszugehörigkeit der Kinder entscheiden?
Das Amtsgericht gab dem Antrag der Mutter statt und übertrug ihr die alleinige Entscheidung über Taufe und Kommunion. Nach Ansicht des Gerichts sei es Aufgabe der Mutter, die Kinder in ihr christlich geprägtes Lebensumfeld zu integrieren. Auch sei es der ausdrückliche Wunsch beider Kinder, ebenso wie ihre Schulkameraden an Taufe und Erstkommunion teilzunehmen. Dieser Wunsch sei, trotz des Alters der Kinder, zu respektieren. Nach Aussage der Mutter habe der Vater sich zudem nie bemüht, den Kindern seinen islamischen Glauben näher zu bringen. Dies könne der Vater laut Gericht auch nach der Taufe noch tun.
Der Vater legte gegen den Beschluss des Gerichts Beschwerde ein: Der Wunsch der Kinder, sich taufen zu lassen und an der Erstkommunion teilzunehmen, entspringe allein dem Bedürfnis, es den Freunden gleich zu tun. Dabei gehe es ihnen mehr um die Geschenke als um die bewusste Entscheidung über den Eintritt in die Religionsgemeinschaft. Außerdem bestünde die Gefahr, dass die Kinder sich nach der Taufe und Kommunion vollständig der christlichen Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlten und das Interesse an der islamischen Religion des Vaters verlören.
Religionszugehörigkeit: Was dient dem Kindeswohl?
Das Oberlandesgericht gab dem Vater Recht: Die Entscheidung der Mutter zu überlassen, entspreche nicht am besten dem Wohle der Kinder. Das gelte, auch wenn die Kinder an Religionsunterricht und Schulgottesdienst teilnähmen, die beiden älteren Halbgeschwister der christlichen Religion angehörten und die Familie christliche Feste feiere.
Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Kulturkreise, aus denen die Eltern stammten, sei es geboten, die Kinder nicht bereits jetzt endgültig in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren – wie das durch Taufe und Kommunion der Fall wäre. Den Kindern entstehe dadurch kein Nachteil. Ebenso könnten sie weiter an Gottesdienst und Religionsunterricht teilnehmen. Wenn die Kinder 14 Jahre alt seien, dürften sie selber über den Eintritt in eine der beiden Religionsgemeinschaften entscheiden (AZ: 12 UF 53/14).
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- red/dpa