Nach einer Trennung oder Scheidung wollen Väter und Mütter auch weiterhin so viel Kontakt und Umgang wie möglich zum Kind oder den Kindern haben. Aber es geht hier nicht nur um einen Wunsch, sondern um ein Recht: Getrennte Mütter und Väter haben gleichermaßen ein Umgangsrecht mit ihrem Kind, es spielt dabei keine Rolle, ob die Eltern miteinander verheiratet waren oder nicht.
Für den Umgang zwischen Eltern und Kind sind in Trennungsfamilien verschiedene Modelle denkbar, zum Beispiel das in den letzten Jahren viel diskutierte sogenannte Wechselmodell, auch als Pendel- oder Doppelresidenzmodell bekannt. Dabei kümmern sich getrennt lebende Mütter und Väter mit gemeinsamem Sorgerecht in der Regel im wöchentlichen Wechsel um ihre Kinder.
Dass es beim Wechselmodell aber einige Hürden zu überwinden gibt, ist nachvollziehbar. Denn insbesondere nach einer schmerzhaften Trennung oder Scheidung dürfte ein am Kindeswohl orientierter Umgang untereinander nicht selbstverständlich sein. Für ein Wechselmodell ist dieser aber notwendig, getrennt lebende Mütter und Väter müssen sich eng austauschen und miteinander kooperieren.
Wechselmodell: Welche Voraussetzungen müssen vorliegen?
Wenn dies nicht der Fall ist, müssen Familiengerichte häufig darüber entscheiden, ob ein Wechselmodell in einer Trennungsfamilie angeordnet werden kann oder welche andere Umgangsregelung sich für die Familie eignet.
Weit verbreitet war bislang die Ansicht, dass Familiengerichte ein Wechselmodell nicht gegen den Willen eines der Elternteile anordnen können. Doch diese Ansicht scheint nicht mehr zuzutreffen, seit der Bundesgerichtshof (BGH) im Februar 2017 einen Beschluss zum Thema Wechselmodell veröffentlicht hat (AZ: XII ZB 601/15).
In dem Beschluss weist der BGH darauf hin, dass § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – er regelt den Umgang zwischen Eltern und Kind – sich zwar an der bislang noch üblichen Variante orientiere, in der das Kind zum Beispiel nur jedes zweite Wochenende beim Vater sei und seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter habe.
Dennoch definiere der Paragraph kein Leitbild für Trennungsfamilien, favorisiere also kein bestimmtes Betreuungsmodell. Daher spricht dem BGH zufolge nichts dagegen, wenn Familiengerichte ein Wechselmodell anordnen und Mütter und Väter mit gemeinsamem Sorgerecht sich den Umgang mit dem Kind paritätisch teilen.
Bundesgerichtshof: Beschluss zum Wechselmodell
Dem Bundesgerichtshof (BGH) lag ein Fall aus Süddeutschland vor. Dabei konnte ein Vater seinen nun 13 Jahre alten Sohn alle 14 Tage am Wochenende besuchen. Der Vater wollte aber, dass der Sohn jeweils eine Woche bei ihm lebt, eine Woche bei der Mutter. Die Mutter lehnte ein Wechselmodell ab. In erster und zweiter Instanz konnte der Vater seinen Wunsch nach einem paritätischen Wechselmodell aber nicht durchsetzen und legte dagegen Revision beim BGH ein.
Diese Formulierungen wird aktuell so interpretiert, dass der BGH mit seinem Beschluss Elternteilen die Möglichkeit eröffnet, über ein Familiengericht das Wechselmodell auch gegen den Willen des anderen Elternteils durchzusetzen.
Aber aus der Formulierung ergibt sich ein gewisser Widerspruch zu der Tatsache, dass der den Beschluss fassende Senat des BGH zugleich betont hat: Ein Wechselmodell stelle höhere Anforderungen an alle Beteiligten. Wenn Mütter und Väter stark zerstritten seien, liege das Wechselmodell meist nicht im Interesse des Kindes und des Kindeswohles.
Wechselmodell und Kindeswohl: Dürfen Kinder entscheiden, ob sie bei der Mutter oder dem Vater leben wollen?
Die BGH-Richter haben darauf verwiesen, dass der Wille des Kindes mitentscheidend dafür ist, ob ein Wechselmodell in Trennungsfamilien möglich ist. Familiengerichte müssen ein Kind also persönlich anhören und seine Meinung berücksichtigen, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Wechselmodell in Trennungsfamilien angeordnet werden kann.
Um das Kindeswohl herauszufinden, haben die BGH-Richter den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen, das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg. Das OLG muss nun das betroffene Kind befragen (zum verhandelten Fall siehe Info-Kasten).
Lesen Sie mehr darüber, wann Familienrichter Kinder anhören müssen und ob das Kindeswohl durch eine Befragung von Richtern feststellbar ist.
Wechselmodell: Wie haben Gerichte bisher entschieden?
Nicht nur den BGH beschäftigt das Thema Wechselmodell. Noch in diesem Jahr wird sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Wechselmodell befassen und über die Verfassungsbeschwerde eines Vaters entscheiden, dem das Wechselmodell verweigert wurde.
In der Vergangenheit haben Gerichte sehr unterschiedlich über das Wechselmodell entschieden. In einem vor dem OLG Hamm 2012 verhandelten Fall zum Beispiel strebte ein Vater das wöchentliche Wechselmodell an, die Mutter lehnte es ab. Im Laufe des Verfahrens kam es zum Streit und gegenseitigen Vorwürfen. Das war letztlich der Grund, warum das Gericht den Antrag des Vaters ablehnte Grundsätzlich, so die Begründung des OLG, sei das Wechselmodell geeignet, um eine enge Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen. Allerdings sei ein solches Umgangsmodell mit Belastungen für die Kinder verbunden. Es fehle an einem festen Lebensmittelpunkt.
Voraussetzung für ein Wechselmodell sei daher, dass Mütter und Väter in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen. Beide Elternteile müssten hoch motiviert und an den Bedürfnissen der Kinder und am Kindeswohl ausgerichtet sein, außerdem kontinuierlich kommunizieren und kooperieren können und wollen. Wesentlich sei außerdem, dass Eltern die Vorstellungen des jeweils anderen in der Frage der Erziehung tolerierten.
Sei dies nicht der Fall und leistet ein Elternteil Widerstand gegen das Wechselmodell, könne das Familiengericht es nicht anordnen. Eine Gefahr der Entfremdung der Kinder von einem Elternteil bei einem anderen Umgangsmodell bestehe nicht, so das Gericht (AZ: II 2 UF 211/11).
Im Widerspruch dazu stand zum Beispiel ein Urteil des Amtsgerichts Heidelberg im Jahr 2015. Das Amtsgericht entschied, dass ein Wechselmodell sehr wohl gegen den Willen des anderen Elternteils durchgesetzt werden kann – wenn das Wechselmodell dem Kindeswohl entspricht (AZ: 31 F 15/14).
- Datum
- Aktualisiert am
- 24.03.2017
- Autor
- red/ime