Der Unterhalt wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes richtet sich nach § 1615 l BGB. Danach wird Betreuungsunterhalt für die Mutter des Kindes bis drei Jahre nach der Geburt des Kindes geschuldet und richtet sich der Höhe nach der Lebensstellung der Mutter vor Geburt des Kindes. Die Mutter verlangte wegen der schweren Behinderung des Kindes auch nach Vollendung des 3. Lebensjahres Betreuungsunterhalt vom Vater.
Die Mutter hatte ihr Studium wegen der Geburt des Kindes unterbrochen. Das Kind ist schwer behindert und wird nach dem 3. Lebensjahr in einer Kindertagesstätte von 9 Uhr bis 15 Uhr betreut. Die Mutter muss mit dem Kind täglich Übungen machen und nimmt vierteljährlich an einer besonderen Therapiewoche mit dem Kind teil, zudem ist das Kind häufig krank. Die Mutter lebt mit dem Kind bei ihren Eltern, sie hat ihr Studium zwischenzeitlich wieder aufgenommen. Der Vater des Kindes hat sein Studium beendet und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität.
Die Parteien streiten sich darüber, ob der Vater nach dem 3. Lebensjahr des Kindes (neben der Bezahlung von Kindesunterhalt) noch Betreuungsunterhalt an die Mutter bezahlen muss.
Nachdem das Amtsgericht der Mutter einen Betreuungsunterhalt in Höhe von 800,00 Euro zugesprochen hatte, hatte das OLG entschieden, dass die Mutter trotz der notwendigen intensiven Betreuung des Kindes einer mehr als halbtägigen Beschäftigung nachgehen und sie selbst dadurch 800,00 Euro verdienen könne. Auch häufige Erkrankungen des Kindes rechtfertigten keine andere Entscheidung, in dieser Zeit könnten andere Personen das Kind betreuen, etwa die Eltern der Mutter.
Verlängerung des Betreuungsunterhaltes für ein nichteheliches behindertes Kind: BGH revidiert Entscheidung des OLG
Der BGH hat diese Entscheidung zum Teil revidiert. Laut BGH ist davon auszugehen, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus aus kindesbezogenen Gründen gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB besteht, wenn es der Billigkeit entspräche. Dasselbe gelte für elternbezogenen Gründe gemäß § 1570 Abs. 2 BGB. Diese Norm gelte zwar nur für eheliche Kinder, könne aber auf nichteheliche Kindern übertragen werden, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen würde, z. B. weil die Eltern des Kindes länger zusammengelebt hätten.
Der Unterhaltsberechtigte, hier die Mutter, habe darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung stehe oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich sei. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen könnten, habe der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen.
Der BGH vertrat – im Gegensatz zur Entscheidung des OLG – die Auffassung, dass im Einzelfall zu entscheiden sei, ob Dritte zur Betreuung des Kindes herangezogen werden müssten, z. B. die Eltern der Mutter. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass trotz einer grundsätzlichen Betreuung in einer Kindertagesstätte nicht zusätzlicher Betreuungsbedarf durch die Mutter gegeben sei und sie deshalb keiner regelmäßigen 5-stündigen Beschäftigung nachgehen könne. Dadurch, dass das Kind häufig krank sei, müsse die Mutter immer damit rechnen, nicht arbeiten zu können. Dies sei bereits ein kindsbezogener Grund, den Betreuungsunterhalt zu verlängern. Die Mutter könne daher nicht mehr als halbtags arbeiten.
Die Wiederaufnahme des Studiums durch die Mutter sei jedoch kein elternbezogener Grund, die Wiederaufnahme diene dem eigenen Interesse der Mutter, aber nicht dem des Kindes. Da die Eltern im entschiedenen Fall nach der Geburt nicht zusammen gelebt hätten, wäre kein Vertrauenstatbestand entstanden.
Dennoch hat der BGH die Entscheidung an das OLG zurück verwiesen, weil das OLG keine konkreten Feststellungen darüber getroffen habe, wie viel Zeit die Mutter außerhalb der Zeiten, in der das Kind in der Kindertagesstätte ist, aufwenden muss, um die Betreuung des Kindes sicherzustellen und in dieser Zeit keiner regelmäßigen Berufstätigkeit nachgehen kann.
Fazit
Kam es nach bisherigen Entscheidungen des BGH darauf an, welche Lebensstellung der Unterhaltsberechtigte vor der Geburt eines Kindes hatte, ist nunmehr zu prüfen, welche Lebensstellung der Berechtigte ohne die Geburt und Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte. Diese ist nicht mehr auf den Zeitpunkt der Geburt festgelegt.
Das Urteil ist zu begrüßen. Der BGH anerkennt, dass Betreuungsunterhalt auch über das 3. Lebensjahr des behinderten Kindes geschuldet wird, wenn die Mutter auf Grund der notwendigen Betreuung des Kindes nicht in der Lage ist, mehr als halbtags zu arbeiten. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung, bei der es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes ankam, muss das Instanzgericht nunmehr auch die veränderten Umstände nach der Geburt berücksichtigen.
Viola Lachenmann ist Fachanwältin für Familienrecht und berät zudem als Fachanwältin für IT-Recht im Internetrecht, Softwarerecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. Sie betreibt einen eigenen Blog, der unter www.kanzlei-lachenmann.de/blog aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Frau Lachenmann regelmäßig zum Thema Familienrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.03.2017
- Autor
- Viola Lachenmann