Der Bundesgerichtshof (BGH) hat z.B. in seinem Urteil vom 18.1.2012 (Az: XII ZR 178/09) entschieden, dass ein Ehegatte im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit nicht nur darlegen und beweisen muss, dass er keine reale Chance auf eine vollzeitige Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt hat, sondern dass auch für eine geringfügige Beschäftigung (Mini-Job) und/oder für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGV IV (Midi-Job) keine Erwerbschance besteht.
Der BGH hat in einem weiteren Urteil vom 21.9.2009 (Az: XII ZR 121/09) entschieden, dass eine 53-jährige Ehefrau, die nach 25 Jahren geschieden wurde, sich eigenverantwortlich unter Einsetzung aller zumutbaren Mittel um eine Arbeitsstelle bemühen müsse. Es reiche nicht aus, sich beim Arbeitsamt zu melden und immer wieder nachzufragen. Es komme aber auch auf eine realistische Erwerbschance an, die auf den individuellen Verhältnissen und der Erwerbsbiografie der Ehefrau basiere. Außerdem müsse die mangelnde Arbeitssuche auch ursächlich dafür sein, dass die Ehefrau keine Arbeit finde. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang ein genauer und umfassender Sachvortrag durch den Unterhaltsberechtigten/Unterhaltsverpflichteten wie Alter, Gesundheitszustand, Ehedauer, Berufsabstinenz!
Das OLG Brandenburg vertrat in einer Entscheidung vom 17.8.2014 (Az: 9 UG 159/13) die Auffassung, dass auch eine ungelernte Kraft seit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes einen Stundenlohn von mindestens € 8,50 verdienen könne. In dem entschiedenen Fall war die Berechtigte zwar gelernte Bäckereifachverkäuferin, hatte aber ungelernt in einem Büro gearbeitet. Sie sei berufserfahren und könne nicht geltend machen, auf dem Arbeitsmarkt keine Chance zu haben.
Dasselbe gilt für den/die Unterhaltsverpflichteten: Auch er/sie muss nachweisen, dass für ihn/sie keine reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Der BGH hat in einem Urteil vom 22.1.2014 (XII ZB 185/12) entschieden, dass insbesondere im Bereich des Kindesunterhalts für ein minderjähriges Kind besonders strenge Maßstäbe anzulegen seien. Auch ein Unterhaltsverpflichteter, der aus dem Ausland stamme und über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge, müsse erheblichen Vortrag leisten, dass er keine reale Beschäftigungschance habe hinsichtlich einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstelle. Zu den Erwerbsbemühungen zähle auch das Verbessern der Sprachkenntnisse. Dem BGH reichte es nicht aus, dass sich der Beklagte beim Jobcenter gemeldet und sich auf dessen Jobangebote beworben hat.
Fazit:
Seit der Unterhaltsrechtsreform zum 1. 1.2008 ist vom Unterhaltsverpflichteten und –berechtigten erheblicher Vortrag zu leisten über die Umstände der Ehe, des Alters, der Arbeitsbemühungen und der realen Chance, auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden zu können. Es reicht nicht aus, sich arbeitssuchend zu melden und dies dem Gericht mitzuteilen.
Viola Lachenmann ist Fachanwältin für Familienrecht und berät zudem als Fachanwältin für IT-Recht im Internetrecht, Softwarerecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. Sie betreibt einen eigenen Blog, der unter www.kanzlei-lachenmann.de/blog aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Frau Lachenmann regelmäßig zum Thema Familienrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 26.06.2015
- Autor
- Viola Lachenmann