Das Verwaltungsgericht Aachen hat kürzlich in folgendem Fall verhandelt: Die Eltern zweier Mädchen hatten bei der Bezirksregierung Köln beantragt, ihnen Ausnahmegenehmigungen zu geben, um ihre Töchter auf ausländische Schulen schicken zu können. Die Familie stammt aus dem Kongo und hat auch die kongolesische Staatangehörigkeit. Die beiden Mädchen besuchen Schulen im grenznahen Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. In beiden Schulen ist Deutsch Unterrichtssprache. Die ältere Schwester besucht mit dem Schuljahr 2013/2014 das fünfte und damit vorletzte Jahr der sechsjährigen Sekundarschule in Belgien.
Die Eltern erklärten, dass sich ihre Töchter in den deutschen Schulen, die sie vorher besucht hätten, nicht wohlgefühlt und daher nur mäßige Leistungen erbracht hätten. Seitdem sie die belgischen Schulen besuchten, seien ihre Leistungen deutlich besser geworden. Viele ihrer Mitschülerinnen hätten den gleichen Migrationshintergrund, auch deren Eltern stammten aus der Demokratischen Republik Kongo. Es sei ihr Wunsch, dass ihre Töchter weiterhin intensiv Französisch lernen könnten, weil dies für Kongolesen die Verkehrssprache schlechthin sei. Auf den früheren Schulen der Mädchen sei dies nicht so gut möglich, weil dort Englisch die erste Fremdsprache sei. Außerdem seien in den beiden belgischen Schulen die Klassen viel kleiner.
Bezirksregierung: Schulbesuch in Deutschland Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration
Die Bezirksregierung Köln lehnte die Anträge der Eltern aber ab. Bildung und Erziehung an deutschen Schulen seien unter anderem die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration in die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands. Die Erfüllung der Schulpflicht in deutschen Schulen habe daher Vorrang. Ausnahmen hiervon seien nur in Einzelfällen möglich. Ein Wechsel an eine deutsche Schule sei für die Töchter keine unzumutbare Härte. Die beiden Mädchen würden das Schulsystem in Nordrhein-Westfalen bereits kennen und könnten sich auch hier wieder integrieren. Dass sie auf den belgischen Schulen intensiv Französisch lernen könnten, sei kein Grund, eine Ausnahme zu erteilen, da dies auch im deutschen Schulsystem möglich sei. In Nordrhein-Westfalen existierten zahlreiche Schulen, in denen bilingualer Unterricht auch in Französisch angeboten werde. Dass Französisch die Verkehrssprache im Herkunftsland sei, könne man bei der Wahl der Fremdsprache nicht berücksichtigen.
Gericht sieht Ausnahme aus wichtigem Grund
Das Verwaltungsgericht Aachen folgte dieser Argumentation aber nicht und verpflichtete das Land Nordrhein-Westfalen, Ausnahmegenehmigungen zum Besuch der belgischen Schulen zu erteilen. Die Richter verwiesen auf die „Gemeinsame Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung von schulischen Bildungsabschlüssen und Berechtigungen zwischen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Dezember 2009“.
Diese betone das außerordentliche Interesse beider Seiten, in einem zusammenwachsenden Europa die Mobilität von Schülern und deren Familien durch eine Vereinfachung der Anerkennung schulischer Bildungsabschlüsse und eine Erleichterung des Wechsels zwischen den unterschiedlichen Schulsystemen zu fördern. Schließlich entspreche das Abschlusszeugnis der Oberstufe des Sekundarunterrichts in der Deutschsprachigen Gemeinschaft dem deutschen Abitur.
Der geforderte wichtige Grund sei aber auch bereits darin zu sehen, dass die beiden Mädchen Schulen im grenznahen Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens besuchten, in der Deutsch Unterrichtssprache und Französisch erste Fremdsprache sei (AZ: 9 K 2036/13).
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.07.2014
- Autor
- red/dpa