Der Fall:
Nach der Eheschließung 1992 wurde der Scheidungsantrag der Ehefrau im Jahre 2008 zugestellt. Der Ehemann war bei Zustellung selbständig erwerbstätig als Inhaber einer Versicherungsagentur, die seit 2010 durch den Sohn der Parteien weiter geführt wurde. Die Ehefrau hatte im Wege eines Stufenantrags Auskunft verlangt über das Endvermögen ihres Mannes. Dieser hatte die Jahresabschlüsse seiner Versicherungsagentur aus den Jahren 2005 bis 2007 vorgelegt.
Das Amtsgericht hatte den Auskunftsanspruch damit als erfüllt angesehen, die Ehefrau legte Beschwerde ein mit der Begründung, sie verlange zusätzlich die „Bezifferung des Good-Will“ bzw. des Wertes des Ausgleichsanspruchs nach § 89 HGB. Sowohl das Oberlandesgericht (OLG) als auch der BGH haben die Beschwerde zurückgewiesen mit folgender Begründung:
Auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages (sog. Agenturvertrag) sei der Versicherungsvertreter gegenüber dem Versicherer verpflichtet, sich um den Abschluss von Versicherungsverträgen zu bemühen. Der Versicherungsvertreter erwerbe aber kein eigenes Recht an dem seiner Versicherungsagentur zugehörigen Versicherungsbestand. Der Versicherungsbestand sei wirtschaftlich allein dem Versicherer zugeordnet und müsse bei Beendigung des Agenturvertrages an den Versicherer zurück gegeben werden. Der BGH lehnte es daher ab, der Versicherungsagentur eines selbständigen Versicherungsvertreters im Zugewinn einen über den Substanzwert hinausgehenden Wert zuzuerkennen.
Auch das Argument der Ehefrau, dass es für den Verkauf einer Versicherungsagentur einen Markt gebe, der im Endvermögen berücksichtigt werden müssen, wies der BGH zurück. Der BGH vertritt die Auffassung, dass Versicherungsagenturen nicht frei verkäuflich sind, selbst wenn sie zum Verkauf angeboten werden sollten. Der Versicherer müsse damit einverstanden sein, er könne aber zu keiner Nachfolgeregelung gezwungen werden. Eine von der Person eines potentiellen Agenturnachfolgers (vgl. § 80 Abs. 1 und 2 VAG) und von den unternehmerischen Dispositionen des Versicherers unabhängige “Veräußerung” der Versicherungsagentur einschließlich des darin befindlichen Versicherungsbestandes könne der ausscheidende Versicherungsvertreter nicht durchsetzen.
Auch ein möglicher späterer Ausgleichsanspruch des Ehemannes nach § 89 b Handelsgesetzbuch (HGB) gegen die Versicherung sei nicht als Vermögensgegenstand im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Denn ein solcher Anspruch eines selbständigen Versicherungsvertreters, dessen Vertragsverhältnis zum Versicherer am Stichtag noch nicht beendet gewesen sei, stelle ein in seiner Entstehung noch ungewisses Recht dar, welches ihm keine mit einer Anwartschaft vergleichbare gesicherte Rechtsposition einräume.
Was bedeutet das BGH-Urteil für sonstige Selbständige?
Ein über den reinen Substanzwert eines Unternehmens weiterer ideeller Wert kann bei der Unternehmensbewertung hinzu kommen, wenn ein Käufer bereit ist, im Hinblick auf zukünftige Gewinne diesen Betrag zu bezahlen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Unternehmen im Geschäftsverkehr höher eingestuft wird als es dem reinen Sachwert der zum Unternehmen gehörenden Gegenstände entspricht. Der Erwerber bezahlt dann für die Chance, ohne eigene Leistung auf die Organisation und den Kundenstamm des Unternehmens zurück greifen zu können. Es kommt auf den guten Ruf eines Unternehmens, seine Marktstellung und/oder seine Kreditwürdigkeit an.
Hängt allerdings der gute Ruf eines Unternehmens allein von der Person des Inhabers ab, wird sich die bisherige Kundschaft schnell verlaufen, sodass kein Good-Will berücksichtigt wird, z. B. bei Rechtsanwälten, Architekten. Eine weitere Voraussetzung ist auch, dass es für das Unternehmen in nennenswertem Umfang überhaupt einen Markt gibt.
Der BGH hatte mit Urteil vom 9.2.2011 (Az.: XII ZR 30/09) bezüglich einer Zahnarztpraxis einen Good-Will in großer Höhe angenommen.
Fazit:
Als Selbständiger empfehle ich, bei Eheschließung einen notariellen Ehevertrag abzuschließen und das Unternehmen aus dem Zugewinn heraus zu nehmen, sonst drohen bei Ende der Ehe hohe Ausgleichsforderungen an den geschiedenen Ehegatten.
Viola Lachenmann ist Fachanwältin für Familienrecht und berät zudem als Fachanwältin für IT-Recht im Internetrecht, Softwarerecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. Sie betreibt einen eigenen Blog, der unter www.kanzlei-lachenmann.de/blog aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Frau Lachenmann regelmäßig zum Thema Familienrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- Viola Lachenmann