So normal wie für französische Familien ist es hierzulande noch nicht, kleine Kinder in einem Kindergarten oder in einer Kindertagesstätte (Kita) betreuen zu lassen. Doch es tut sich auch in Deutschland einiges bei der Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen, zumindest besuchen immer mehr Kinder unter drei Jahren einen Kindergarten oder eine Kita, ihr Anteil liegt bei etwa einem Drittel.
Insgesamt besuchen 3,2 Millionen Kinder verschiedenen Alters einen kommunalen Kindergarten oder eine kommunale Kita, 1,8 Millionen Kinder gehen in private oder kirchliche Einrichtungen.
Betreuung von Kindern in einer Kita oder einem Kindergarten: Was regelt der Betreuungsvertrag?
Familien schließen mit den Trägern der Tageseinrichtungen Betreuungsverträge ab. Betreuungsverträge regeln alle Fragen rund um den Besuch von Kindern in Einrichtungen. Mit dem Vertrag stimmen Eltern auch zu, einen Teil ihrer Aufsichtspflicht an die Kita oder den Kindergarten abzugeben. Die Aufsichtspflicht der pädagogischen Fachkräfte beginnt, wenn die Eltern ihr Kind morgens dort abgeben und endet, wenn sie es am Nachmittag abholen.
Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen: Was ist die Aufsichtspflicht für ein Kind?
Eltern haben die Personensorge für ihr Kind. Personensorge meint „insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“, wie es in § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) heißt. Einen Teil dieser Personensorge, die Aufsichtspflicht, können Eltern auf Dritte übertragen, Erzieher zum Beispiel. Diese sind den Eltern dann hinsichtlich der Aufsichtspflicht gleichgestellt, haben also gleiche Rechte und Pflichten gegenüber den Kindern wie die Eltern.
Wie diese müssen also auch die Erzieher das Kind etwa vor Gefahren schützen, was umso mehr gilt, je jünger das Kind ist und je weniger es in der Lage ist, Gefahren selbst zu erkennen. Außerdem meint Aufsichtspflicht für Eltern und Erzieher, dafür zu sorgen, dass das Kind niemandem Schaden zufügt und nichts zerstört.
Eltern und Kita: Wann liegt eine Verletzung der Aufsichtspflicht vor?
Doch im Alltag eines Kindergarten oder einer Kita kommt es immer wieder vor, dass sich ein Kind verletzt, seinem Spielkameraden weh tut oder Spielzeug kaputt macht. Dann kann sich die Frage stellen, wer dafür verantwortlich ist: die Erzieher? Oder liegt die Verantwortung bei den Kindern?
Auch wenn es überraschen mag: Wann jemand die Aufsichtspflicht verletzt hat, lässt sich nicht einfach beantworten. Denn es gibt keine gesetzliche Definition der Aufsichtspflicht, aus der Rechtsprechung lassen sich allenfalls grobe Richtlinien ziehen.
„Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kann vorliegen, wenn ein Erzieher ein Kind etwa nicht verstärkt überwacht, obwohl es schon früher mit schädigendem Verhalten aufgefallen ist oder dieses Verhalten vorhersehbar war“, sagt der Oldenburger Rechtsanwalt Burkhard Bühre von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Neben dem wichtigen Kriterium der Vorhersehbarkeit eines Verhaltens gibt es weitere, die die Aufsichtspflicht näher beschreiben. 2012 urteilte der Bundesgerichtshof, das Maß der gebotenen Aufsicht richte sich „nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann.“ (AZ: VI ZR 3/11)
Was kann Aufsichtspflichtigen zugemutet werden? Das Oberlandesgericht München hat 2008 geurteilt, dass man Minderjährige nicht ständig überwachen muss (AZ: 6 U 3881/08).
Warum die Rechtlage so schwammig ist, erklärt Rechtsanwalt Bühre: „Nach Ansicht des Gesetzgebers sollen Kinder zu selbstständigen Bürgern erzogen werden. Dafür brauchen sie Freiräume, in denen sie nicht ständig kontrolliert werden.“ Insofern kann die Aufsichtspflicht ein Graubereich sein, in dem es wie so oft im Recht auf den Einzelfall ankommt.
Betreuung von Kindern in einer Kita oder einem Kindergarten: Wer haftet, wenn ein Kind in einer Tageseinrichtung sich oder ein anderes Kind verletzt?
Diese Rechtslage enthebt Eltern und Erzieher in Einrichtungen aber nicht davon, auf die Kinder aufzupassen und das zu beherzigen, was der BGH in verschiedenen Urteilen auch deutlich gemacht hat: „Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist." (AZ: VI ZR 3/11, auch AZ: VI ZR 199/08)
Wenn ein Erzieher seiner Aufsichtspflicht nachkommt, haftet er nach § 832 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch nicht, wenn ein Kind sich oder ein anderes Kind verletzt. Der Erzieher muss aber nachweisen, dass er seine Pflicht eingehalten hat.
Auch Eltern oder Kinder haften nicht, denn: „Kinder sind bis zum Alter von sieben Jahren nicht schuldfähig“, sagt Bühre „In solchen Fällen haftet die gesetzliche Unfallversicherung.“
Betreuung von Kindern in Einrichtungen: Wann haftet die gesetzliche Unfallversicherung?
Dass die gesetzliche Unfallversicherung haftet, liegt auch an dem sogenannten Haftungsprivileg. Dieses schließt zivilrechtliche Ansprüche von Kindern untereinander oder gegen Erzieher aus, vor allem Ansprüche auf Schmerzensgeld.
Der Schutz durch die Unfallversicherung greift auch dann, wenn die Kinder einen Ausflug unternehmen oder an Feiern teilnehmen, die von der Einrichtung organisiert sind. Außerdem sind die Kinder auf dem - direkten - Weg dorthin und zurück versichert.
Tageseinrichtung für Kinder: Wer haftet, wenn ein Kind im Kindergarten etwas zerstört oder kaputt machen?
Wenn ein Kind einem anderen zum Beispiel den Pullover zerreißt oder anderes kaputt macht, haften weder das Kind noch die Erzieher, sondern die Träger der Einrichtungen. Denn die Erzieher sind „Verrichtungsgehilfen“ des Trägers und nehmen für diesen Aufgaben wahr. Schadensersatzansprüche müssen Eltern gegen die Träger der Einrichtungen richten, den Schadensersatz zahlt die Haftpflichtversicherung des Trägers.
Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen: Wann haften Erzieher im Kindergarten?
Nur wenn Erzieher grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich ihre Aufsichtspflicht verletzen, kann das für sie zivilrechtliche, manchmal auch straf- und disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. Ausgenommen sind in der Regel aber Irrtümer oder Fehleinschätzungen von Erziehern. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsätzlichkeit sind Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche gegen die Erzieher möglich.
Einrichtungen zur Betreuung von Kindern: Wer darf das Kind vom Kindergarten oder der Kita abholen?
Das Kind können nur die Sorge- und Umgangsberechtigten abholen, also in der Regel die Mutter und der Vater. „Andere Leute dürfen das Kind nur abholen, wenn die Eltern eine Vollmacht ausstellen und in der Einrichtung hinterlegen“, sagt Rechtsanwalt Burkhard Bühre. „Es ist möglich, dass ältere Geschwister das Kind abholen oder das Kind alleine nach Hause geht, aber das müssen die Eltern erlauben und mit der Einrichtung absprechen.“
Pädagogische Tageseinrichtungen: Dürfen Erzieher den Kindern Medikamente geben?
Nein, denn nur medizinisch ausgebildeten Fachkräften ist es erlaubt, anderen Menschen gleich welchen Alters Medikamente geben.
Wie müssen die Erzieher vorgehen, wenn ein Kind an einer Allergie leidet?
Eltern, die ihr Kind in einem Kindergarten oder in einer Kita anmelden, geben meist in einem Fragebogen an, ob das Kind gesundheitlich eingeschränkt ist, es beispielsweise an einer Allergie leidet oder bestimmte Krankheiten hat. Erzieher müssen dies berücksichtigen und dafür zu sorgen, dass das Kind beispielsweise nichts isst, auf das es allergisch reagiert. Das kann auch einschließen, bei selbstgebackenen Kuchen der Eltern etwa zu Festen nachzufragen, aus welchen Zutaten der Kuchen gebacken ist.
Ist es erlaubt, Bilder der Kinder auf die Homepage des Kindergartens zu stellen?
„Auch Kinder haben das Recht an ihrem eigenen Bild“, betont der Familienrechtsexperte Bühre. Deshalb ist es Erziehern nicht gestattet, die Bilder der Kinder oder Videos, in denen sie zu sehen sind, einfach zu veröffentlichen und diese beispielsweise auf die Website zu stellen. Solchen Veröffentlichungen müssen die Eltern zustimmen.
Dürfen der Kindergarten oder die Kita Bildungsdokumentationen aufbewahren?
Ein Kindergarten oder eine Kita dokumentieren in der Regel, wie sich ein Kind während der Zeit, in der es die Einrichtung besucht, entwickelt. Wechselt ein Kind, weil es zum Beispiel eingeschult wird, muss die Dokumentation vernichtet werden, sie an die Grundschule weiterzugeben ist nicht erlaubt.
Was können Eltern im Kindergarten mitbestimmen?
Den Alltag und den Tagesablauf im Kindergarten oder in der Kita bestimmt der Träger, die Erzieher sind als sogenannte Verrichtungsgehilfen an seine Weisungen gebunden. Mit diesen Konditionen erklären sich Eltern einverstanden, wenn sie den Vertrag mit dem Träger abschließen. Sie stimmen zunächst also zu, wie der Alltag in der Einrichtung abläuft, ob die Kinder beispielsweise vor dem Essen ein Gebet sprechen, einen Mittagsschlaf halten oder sie Bio-Essen bekommen.
Doch das heißt nicht, dass Eltern diese Bedingungen nicht verändern können. Denn auch Eltern haben Mitspracherechte. Elterliche Partizipation ist formal und gesetzlich sogar gewollt, wie aus dem Sozialgesetzbuch VIII hervorgeht.
Dabei umfassen die Mitspracherechte der Eltern nicht nur die Betreuung, Bildung und Erziehung des eigenen Kindes, sondern auch aller anderen Kinder, die den Kindergarten oder die Kita besuchen. Die Mitspracherechte der Eltern enden aber bei den Themen, über die sie sich mit dem Träger nicht einigen können. In solchen Fällen hat der Träger das letzte Wort. Und generell gilt: „Die Eltern können Veränderungen nicht beanspruchen oder juristisch erzwingen“, sagt Rechtsanwalt Burkhard Bühre.
Welche Rechte haben die Elternvertreter im Kindergarten?
Für die Arbeit von Elternvertretern in einem Kindergarten oder in einer Kita gibt es keine gesetzliche Grundlage. Das schränkt die Machtbefugnisse und Möglichkeiten, den Alltag zu beeinflussen, erheblich ein und unterscheidet diese Aufgabe stark von der eines Elternvertreters oder Elternbeirates in Schulen. Elternvertreter in Kindergärten oder Kitas können meist nur Wünsche äußern, eine rechtliche Handhabe, Änderungen in ihrem Sinne oder im Sinne der Elternschaft durchzusetzen, haben sie nicht.
Darf die Kita Informationen zu den Betreuungszeiten an Dritte herausgeben?
Aus dem Betreuungsvertrag, der in den Regel zwischen den Eltern und der Kita besteht, ergeben sich Pflichten. Dazu zählt auch eine Geheimhaltungspflicht. Die Kita darf deshalb Dritten wie dem Arbeitgeber oder den Schwiegereltern nicht sagen, wann und wie lange das Kind dort betreut wird. Es sei denn, die Eltern erteilen dazu ihre Zustimmung.
Betreuung im Kindergarten: Wie lang dürfen die Kündigungsfristen sein?
Die Kündigungsfrist eines Kindergartenplatzes darf nicht mehr als drei Monate betragen. Eine längere Frist ist unwirksam. Das entschied das Amtsgericht München (09. Juli 2016; AZ: 213 C 13499/15), wie die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet. Die AGB dürften keine Kündigungsfrist vorsehen, die länger als drei Monate sei, so die Richter. Diese Regelung diene dazu, den Kunden durch überlange Kündigungsfristen unangemessen lange zu binden.
Unterhalt - Wie lange muss er gezahlt werden?
- Datum
- Aktualisiert am
- 16.08.2023
- Autor
- ime/red