Glaube und Familie

Kind in Pflege­familie: Eltern entscheiden über Religion des Kindes

Wer entscheidet über die Religion eines Kindes, wenn es in einer Pflegefamilie lebt? © Quelle: Nicholas/gettyimages.de

In welchem Glauben ein Kind erzogen wird, bestimmen die leiblichen Eltern. Gilt das aber auch, wenn sie das Sorgerecht verloren haben und ihr Kind in einer Pflege­familie lebt?

Leibliche Eltern können über vieles entscheiden, was ihr Kind betrifft. Das schließt auch die Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit des Kindes ein und zwar auch dann, wenn den Eltern das Sorgerecht entzogen worden ist und es in einer Pflege­familie aufwächst. Das berichtet die Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) und informiert über eine Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm vom 29. März 2016 (AZ: 2 UF 223/15).

Pflege­eltern und Jugendamt als Vormund: Dürfen sie über die Religion eines Pflege­kindes entscheiden?

In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Jugendamt das Kind direkt nach der Geburt im April 2007 in seine Obhut genommen und es in eine Bereit­schafts­pfle­ge­familie gebracht. Schon einen Tag nach der Geburt entzog das Gericht der Mutter teilweise das elterliche Sorgerecht, so das Aufent­halts­be­stim­mungsrecht und das Recht der Gesund­heits­fürsorge. Im darauf­fol­genden Jahr wurde der Frau das Sorgerecht vollständig entzogen. Vormund wurde das Jugendamt. Seit 2009 lebt das Kind inkognito bei einer Dauerpfle­ge­familie. Die Pflege­eltern haben ihre eigenen Kinder taufen lassen und erziehen sie nach christ­lichen Wertvor­stel­lungen.

Die leibliche Mutter des Kindes ist Muslimin und hatte von Anfang an ihren Wunsch deutlich gemacht, dass ihre Tochter im muslimischen Glauben erzogen wird. Eine Taufe des Kindes lehnte die Mutter nach Anfrage des Jugendamtes 2013 ab.

Das Jugendamt als Vormund beantragte die famili­en­ge­richtliche Genehmigung seiner Entscheidung, das Mädchen taufen zu lassen. Er begründete das damit, dass die Pflege­familie dem römisch-katholischen Glauben angehöre und den Glauben im Alltag auch aktiv lebe. Ihr Pflegekind habe den Wunsch, in diesem Jahr zur Kommunion zu gehen. Derzeit werde es gemeinsam mit seinen Mitschü­le­rinnen und Mitschülern darauf vorbereitet.

Das Famili­en­gericht stimmte dem noch zu. Die Erziehung im römisch-katholischen Glauben entspreche dem Wohl des Kindes und seinem Wunsch. Das Kind bekenne sich mit Taufe und Kommunion zur Religion seiner Pflege­eltern. Dort lebe das Kind bereits seit über sechs Jahren. Dagegen legte die leibliche Mutter Beschwerde ein. Die Entscheidung des Famili­en­ge­richts missachte ihr Elternrecht.

Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit eines Kindes: Leibliche Eltern haben Erstbe­stim­mungsrecht

Mit Erfolg. Die Mutter habe noch vor dem vollständigen Entzug des Sorgerechts über die Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit ihres Kindes entschieden. An dieses Erstbe­stim­mungsrecht der Mutter sei der Vormund gebunden, so das Oberlan­des­gericht. Die Frau habe zu diesem Zeitpunkt noch den Teil des Sorgerechts gehabt, der dazu berechtige, über die religiöse Erziehung zu entscheiden. Dazu die Richter: „Dem Vormund oder Pfleger steht dieses Recht lediglich als Erstbe­stim­mungsrecht zu, das heißt eine Bestimmung steht einem Vormund oder Pfleger nur zu, wenn nicht bereits früher eine entspre­chende Bestimmung erfolgt war. Eine bereits getroffene Bestimmung [...] kann der Vormund bzw. Pfleger nicht ändern.“

In der Tat hätte die beabsichtigte Entscheidung des Vormunds zur Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit des Kindes nach aktuellem Sachstand und nach der Anhörung des Mädchens wahrscheinlich dem Kindeswohl entsprochen, so die Richter. Das rechtfertige jedoch keine andere Beurteilung. Der Vormund sei an die Bestimmung der Religi­ons­zu­ge­hö­rigkeit durch die leibliche Mutter gebunden.