
Sind Hochbegabungen für Kinder und ihre Familien ein Fluch oder ein Segen? Diese Frage stellt sich besonders eindrücklich bei in Fall, mit dem sich das Oberlandesgericht Hamm befasst hat: Gutachter hatten einem Jungen eine Hochbegabung im Bereich "Funktionen abstrahieren" attestiert. Deshalb besuchte er eine andere Grundschule als eigentlich vorgesehen. In dieser Schule betreute eine Integrationskraft das Kind und förderte es sonderpädagogisch besonders in seiner emotionalen und sozialen Entwicklung. Allerdings endete diese Hilfe im zweiten Schuljahr, weil es zum Streit zwischen der Mutter und dem „Institut zur Fo(e)rderung besonderer Begabungen“ kam. Das Institut stellte den Integrationshelfer.
Nachdem diese Hilfe endete, gingen die massiven Probleme des Jungen in der Schule weiter: Er gefährdete sich und andere, war unkonzentriert, unruhig und vergesslich. Rund 30 Gespräche führte die Schulleitung mit der Mutter, doch diese blieben erfolglos. Die Mutter, die das alleinige Sorgerecht hatte, lehnte es ab, ihren Sohn stationär einweisen zu lassen. Ein Umzug an einen anderen Ort und damit ein Wechsel der Schule änderten nichts an den Problemen des Jungen, der nicht mehr regelmäßig zur Schule ging.
Die Mutter lehnte es ab, das Kind in eine Tagesklinik aufnehmen zu lassen, auch eine sozialpädagogische Familienhilfe ließ sie nicht zu. Schließlich ging der Junge gar nicht mehr zur Schule, die Mutter reichte jede Woche ärztliche Atteste ein.
Zunehmende Gefahr für das Wohl des Kindes
Die Richter des Oberlandesgerichtes Hamm stellten in diesem Fall fest: Das Wohl des Kindes sei gefährdet. Dies verstärke sich täglich durch den fehlenden Schulbesuch. Mit einer einstweiligen Verfügung entzogen die Richter der Mutter das Sorgerecht für die Bereiche Schulangelegenheiten und Gesundheitsfürsorge. Und sie entzogen ihr das Recht, zu bestimmen, wo sich der Junge aufhalten soll. Damit wollten die Richter sicherstellen, dass das Kind stationär in einer Klinik unterkommen könnte, um es dort eventuell begutachten zu lassen. Die Richter meinten, ein Gutachten könne eventuell für das Hauptsacheverfahren nötig werden. In diesem Verfahren würde es um die Frage gehen, ob der Kindesmutter das Sorgerecht in diesen Bereichen dauerhaft, aber vielleicht auch für andere Bereiche zu entziehen sei.
Mutter kooperierte nicht
Bedingung dafür, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen, sei eine Gefährdung des Kindeswohls, erläuterten die Richter. Es müsse eine derartige Gefahr vorliegen, dass sich – sollte die bisherige Entwicklung des Jungen so weitergehen - eine erhebliche Schädigung seines geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls mit großer Sicherheit voraussehen lasse.
Im vorliegenden Fall resultiere die Gefährdung des Kindeswohles daraus, dass der Junge die Schule nicht besuche und die Mutter den Schulbesuch nicht gewährleiste. Sie mache es sich zu einfach, wenn sie die Schwierigkeiten ihres Sohnes auf Schulprobleme reduziere und als Grund hierfür seine Hochbegabung anführe. Diese Gabe erkläre zum Beispiel nicht, warum der Junge kaum belastbar und bereits nach rund zwei Stunden erschöpft sei. Alle Fachleute hätten empfohlen, diese Auffälligkeit diagnostisch abklären zu lassen. Das habe die Mutter verhindert und etwa abgelehnt, den Jungen stationär in eine Klinik aufnehmen zu lassen. Sie habe in der Folgezeit bis auf Lippenbekenntnisse nichts für eine diagnostische Abklärung getan und sich auch weiteren Hilfen verweigert (AZ: II-4 UFH 1/14, 4 UFH 1/14).
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- Datum
- Aktualisiert am
- 15.10.2014
- Autor
- red/dpa