"Unsere Kinder können sich schon gut selbst beschäftigen" hört man ebenso wie "Wir vertrauen darauf, dass Ihr nach dem Film ins Bett geht". Eltern wollen schließlich auch einmal Zeit für sich haben. Wenn Oma und Opa oder ein Babysitter nicht verfügbar sind, dürfen Eltern ihre Kinder dann alleine lassen? Oder verstoßen sie somit gegen Ihre Aufsichtspflicht?
Rechtliches: Aufsichtspflicht von Eltern und Selbstständigkeit des Kindes
Kinder haben nach der „UN-Konvention über die Rechte des Kindes“ das Recht auf elterliche Fürsorge. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) definiert in § 1631 als Pflicht von Eltern, „ […] das Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen […]“.
Die Aufsichtspflicht und elterliche Fürsorge schützen das Kind vor einem Schaden, den es sich selbst oder Dritte ihm zufügen könnten. Auch dient die Aufsichtspflicht dem Schutz vor einem Schaden, den das Kind anderen Menschen zufügen könnte. Gleichzeitig räumt der Gesetzgeber Kindern und Jugendlichen das Recht ein, sich selbstständig zu entwickeln. In § 1626 BGB heißt es zum Beispiel, Eltern sollten „bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln“ berücksichtigen. Auch rechtlich gesehen bewegt sich Erziehung also zwischen Fürsorge und Kontrolle einerseits und dem Recht des Kindes auf eine eigenständige Entwicklung seiner Persönlichkeit andererseits. Deshalb ist das Alleinlassen von Kindern und Jugendlichen nicht eindeutig geregelt.
„Es gibt keine klare gesetzliche Vorschrift darüber, ob und wie lange Eltern Kinder allein lassen dürfen“, sagt die Münchener Rechtsanwältin Dr. Undine Krebs, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV). „Ein Kind muss jedenfalls nicht unter ständiger elterlicher Obhut stehen."
Kita-Kinder, Grundschulkinder, Jugendliche: Wie lange dürfen Eltern ihr Kind allein lassen?
Eltern verstoßen also nicht gegen ihre Aufsichtspflicht, wenn sie ihr Kind nicht zur Schule oder auf den Spielplatz begleiten oder es eine gewisse Zeit allein zu Hause lassen. Aber Mütter und Väter sollten und müssen diese Entscheidungen umsichtig treffen und einige Regeln beachten. Diese Regeln leiten sich teils aus pädagogischen Grundsätzen ab, teils folgen sie der praktischen Rechtsprechung und richterlichen Entscheidungen.
So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem 2009 ergangenen Urteil festgelegt: Je jünger und unvernünftiger ein Kind ist, desto mehr sollten und müssen Eltern es beaufsichtigen (AZ: VI ZR 51/08). „Ein Kind bis drei Jahre dürfen Mütter und Väter nicht allein lassen“, sagt denn auch die Familienrechtsexpertin Dr. Undine Krebs. „Ein Kind von vier Jahren kann rund zehn Minuten allein sein, wobei sich die Eltern nicht komplett vom Kind entfernen sollten.“ Grundschulkinder können schon etwas länger auf Mutter oder Vater verzichten. Ältere Kinder können, wenn die Eltern es ihnen zutrauen, sogar einmal über Nacht allein zu Hause sein. Bei Jugendlichen ab 14 Jahren gibt es beim Thema Alleinlassen keine Beschränkung.
Kinder und Jugendliche allein zu Hause lassen: Worauf sollten Eltern achten?
Allerdings sollten Eltern einiges beachten, bevor sie die Wohnung verlassen. So sollten Mütter und Väter ihrem Kind sagen, dass es die Tür nicht öffnen soll, wenn jemand klingelt. Sie sollten dem Kind auch sagen, wann sie wieder zu Hause sein werden und wie es sie telefonisch erreichen kann. Unbedingt ausschließen sollten Eltern Gefahrenquellen.
Das Kind allein zu Hause lassen: Reife und Persönlichkeit spielen eine wichtige Rolle
Beim Alleinlassen von Kindern sollten Eltern nicht nur das Alter des Kindes bedenken, sondern auch dessen Reife und Persönlichkeit. Von „Eigenart und Charakter“ des Kindes spricht der BGH im erwähnten Urteil von 2009. Auch sollten Eltern die „Voraussehbarkeit“ schädigenden Verhaltens berücksichtigen. Ein Kind, das häufig Dinge kaputt macht und dazu neigt, „Quatsch“ zu machen, sollten Eltern lieber nicht unbeobachtet lassen.
Kind allein zu Hause lassen mit älterem Bruder oder älterer Schwester – erlaubt?
Manche Eltern könnten in solchen Fällen auf die Idee kommen, den älteren Bruder oder die ältere Schwester auf das Kind aufpassen zu lassen. „Wenn die Kinder einen großen Altersabstand zueinander haben, ist das in Ordnung“, sagt Dr. Krebs. „Bei nahezu gleichaltrigen Kindern muss man aber aufpassen – gerade wenn sie dazu neigen, Unsinn zu machen oder sich gegenseitig zum Quatsch-Machen anstacheln.“
Aufsichtspflicht von Eltern und Regeln: Dürfen Kinder allein draußen spielen?
Nach dem erwähnten BGH-Urteil dürfen Kinder ab einem bestimmten Alter allein draußen spielen, die Eltern müssen dabei nicht die ganze Zeit auf das Kind aufpassen. Dabei gilt: Kinder ab vier Jahre müssen immer wieder beobachtet werden. Bei Vorschulkindern sollten Eltern alle 15 bis 30 Minuten schauen, womit sich ihr Kind beschäftigt und wenn nötig eingreifen. Ältere Kinder von sieben oder acht Jahren müssen Eltern nicht in so kurzen oder regelmäßigen Abständen kontrollieren.
Haften Eltern immer für ihre Kinder?
Eltern müssen nur dann für einen Schaden, den ihr Kind verursacht, aufkommen, wenn sie es nicht genug beaufsichtigt haben, wie es in § 832 BGB heißt. Wenn Eltern ihre Pflicht erfüllt haben, haften sie nicht. Das steht also der verbreiteten Meinung entgegen, dass Eltern immer für ihre Kinder haften. Die sogenannte Ersatzpflicht, also die Haftung, entfällt übrigens auch dann wenn ein Schaden trotz richtiger Aufsicht entstanden wäre. Ein Kind bis sieben Jahre haftet grundsätzlich nicht. Nur in Ausnahmefällen müssen sehr junge Kinder haften. Zum Beispiel in dem Fall, dass das Kind etwas kaputt macht, vom Aufsichtspflichtigen kein Ersatz verlangt werden kann, das Kind aber zugleich vermögend ist. Ist das Kind sieben Jahre alt, aber noch nicht zehn, ist es für das, was es bei einem Unfall zum Beispiel mit einem Auto verursacht, nicht verantwortlich. Es haftet in diesen Fällen nur, wenn es die Verletzung vorsätzlich herbeiführt.
„Wer noch nicht 18 Jahre alt ist, ist für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat“, erklärt Dr. Krebs.
(Erfahren Sie hier alles zur Strafmündigkeit von Kindern.)
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- Datum
- Aktualisiert am
- 18.11.2024
- Autor
- ime