Im vergangenen Jahr machte ein kleines Luxus-Hotel im brandenburgischen Bad Saarow Schlagzeilen, als publik wurde, dass das Hotel sein Marketing-Konzept geändert hat. Danach dürfen dort keine Gäste mehr übernachten, die jünger als 16 Jahre alt sind.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband bezweifelt, dass sich darin ein allgemeiner Trend hin zu mehr Adults Only-Angeboten in der Hotellerie abzeichnet. Und doch liest man immer wieder, dass Hotels und Hotelketten ihren Betrieb nach dem Marketingkonzept der kinderfreien Hotels organisieren. Im vergangenen Jahr kündigte etwa der britische Touristikkonzern Thomas Cook an, weltweit seine Adults Only-Angebote ausweiten zu wollen.
Doch abgesehen von der Frage, ob wir gerade einen Trend hin zu mehr Adults Only-Angeboten und damit zu einer immer stärkeren Trennung von Erwachsenen- und Kinderwelt erleben, stellt sich die Frage, ob der Ausschluss von Kindern und Jugendlichen aus Hotels rechtlich erlaubt ist.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stuft Hotel-Angebote mit einem Mindestalter von 16 Jahren als möglichen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein. Nach diesem Regelwerk, das auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt ist, darf niemand etwa wegen seines Geschlechts, seiner Religion oder seines Alters benachteiligt werden.
Um pauschal Kinder aus Hotels auszuschließen, reicht es nach Ansicht der Antidiskriminierungsstelle nicht aus, auf deren möglichen Lärm zu verweisen. Besonders stört die Antidiskriminierungsstelle, dass wegen des Mindestalters auch die Eltern der Kinder, die das Hotel als Familie besuchen wollten, benachteiligt würden.
Kinderfreie Hotels: Familie klagt gegen Ausschluss und Altersdiskriminierung
Doch die Sichtweise der Antidiskriminierungsstelle teilen nicht alle. Im Jahr 2011 zum Beispiel hatte eine Familie gegen ein kinderfreies Hotel geklagt und Schadensersatz verlangt, denn sie sah im Ausschluss ihrer Kinder eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Die Richter am Landgericht Hannover folgten dieser Argumentation aber nicht .Sie legten in ihrem 2013 ergangenen Urteil fest, dass es einem Hotelbetreiber zustehe, sich seine Gäste auszusuchen. Das sei Teil seiner unternehmerischen Vertragsfreiheit. Kinder hätten ein „gänzlich anderes Ruhe- und Erholungsbedürfnis“ als Erwachsene. Dies sei ein sachlicher Grund, der zu keiner Altersdiskriminierung führe (AZ: 6 O 115/12).
Ähnlich argumentiert auch der Rechtsanwalt Paul Degott vom Deutschen Anwaltverein (DAV): „Der Hotelier hat das Hausrecht. Daher kann er verfügen, dass dort keine Kinder oder Jugendlichen unter 16 oder 18 Jahre übernachten dürfen.“ Adults-Only-Angebote seien eine besondere Form der Spezialisierung von Hotels, allein der Betreiber entscheide über das Konzept seines Hauses.
Der Reiserechtsexperte Degott verweist darauf, dass es keinen Kontrahierungszwang zwischen einem Hotel und einem Gast gibt. Im Privatrecht hat also niemand einen Anspruch darauf, mit einem Unternehmen wie einem Hotel einen Vertrag abzuschließen.
„Anders sieht es aber aus, wenn jemand zum Beispiel mit einem kommunalen Unternehmen wie einem Energieversorger einen Vertrag abschließen will“, sagt Rechtsanwalt Paul Degott. „Dabei handelt es sich um ein öffentliches Unternehmen der Daseinsvorsorge, das niemanden abweisen darf. Daher besteht hier ein Anspruch auf einen Vertrag und darauf, gegen Entgelt mit Energie versorgt zu werden.“
Rechtliche Regeln: Dürfen Cafés und Lokale Kinder, Jugendliche oder stillende Mütter abweisen?
Vor einiger Zeit wurde ein Café ausgerechnet im kinderreichen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg dafür bekannt, dass es Poller vor seinen Eingang gestellt hatte, um Eltern mit Kinderwagen daran zu hindern, es zu betreten. Der Betreiber desselben Cafés verwies im vergangenen Jahr eine stillende Mutter aus seinen Räumen. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 2015 im Bordrestaurant eines ICEs: Das Personal verbot einer Mutter, ihrem Baby dort die Brust zu geben.
Inzwischen hat die abgewiesene Mutter aus dem Prenzlauer Berg eine Online-Petition gestartet. Darüber will sie ein Gesetz initiieren, dass Müttern das Stillen in der Öffentlichkeit erlaubt – und umgekehrt verbietet, stillende Mütter zu diskriminieren. Rund 25.000 Menschen haben die Petition bislang unterzeichnet.
„Grundsätzlich hat ein Café-Betreiber das Hausrecht“, erklärt der Bochumer Rechtsanwalt Jürgen Widder von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) die juristischen Regeln. „Dieses Recht erlaubt ihm, sich seine Gäste auszusuchen.“
Aber dieses Recht kann an seine Grenzen stoßen. So dürfen etwa Cafés, Diskotheken oder Clubs niemanden nur aufgrund seiner Herkunft oder Hautfarbe abweisen. Denn dies wäre ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
„Allerdings ist fraglich, ob das Hinausweisen einer stillenden Mutter ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellt“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Widder. „Denn die Frau wird nicht wegen ihres Geschlechts verwiesen, es ist also keine geschlechtsspezifische Diskriminierung. Die Frau wird des Cafés verwiesen, weil sie sich in einer für viele unpassenden Weise in einem öffentlichen Raum entblößt.“
Beim Thema stillende Mütter in der Öffentlichkeit prallen viele gegensätzliche Interessen aufeinander: zum einen das Interesse von Frauen, die nach der Geburt ihres Babys weiter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen, zum anderen das Interesse derjenigen, die sich durch eine öffentlich gezeigte sehr intime Handlung, dem Stillen, gestört fühlen.
Diesen Konflikt könnten vielleicht pragmatische Lösungen beilegen. Denkbar wäre zum Beispiel, wenn es die Räumlichkeiten erlauben, spezielle Still-Ecken in Cafés oder Restaurants einzurichten, in denen Mütter, geschützt vor den Blicken anderer, stillen können.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.04.2016
- Autor
- ime