Katharina ist Deutsche, Pierre ist Franzose. Die beiden lernten sich an der Bochumer Uni kennen und heirateten schließlich in Bochum, bevor sie gemeinsam nach Paris zogen. Nach fünfzehn Jahren ging die Ehe in die Brüche: Katharina zog mit den beiden Kindern in ihren Geburtsort Wanne-Eickel. Nun steht die Scheidung an und Katharina und Pierre sind nicht sicher, ob sie sich dazu an die deutschen oder die französischen Behörden wenden sollen.
Solche Fälle gibt es viele: Von den mehreren hunderttausend Ehen, die jährlich in Deutschland geschlossen werden, ist fast jede neunte Ehe eine binationale. Lesen Sie hier, welche rechtlichen Besonderheiten binationale Familien im Blick haben sollten.
1) Eheschließung: nach Ortsrecht immer gültig
In welchem Land soll die Hochzeit stattfinden? Das dürfte eine der ersten Fragen sein, die sich internationale Paare stellen. Das ist in erster Linie eine emotionale Entscheidung. Denn rechtlich kommt es auf den Ort der Eheschließung nicht unbedingt an.
„Egal, wo die Hochzeit stattfindet – Ehen, die nach dem jeweiligen Ortsrecht geschlossen worden sind, werden überall anerkannt“, erklärt Gerd Uecker, Rechtsanwalt für Familienrecht und Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Dies gelte für die ganze Welt.
2) Heirat im Ausland, Leben in Deutschland: Doppelte Scheidung?
Was passiert, wenn die Ehe in die Brüche geht? Dann ist zunächst zu klären, in welchem Land die Gerichte für die Scheidung zuständig sind. Das regeln europäische Gesetze, die durch Verordnungen in den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
Die Zuständigkeit im Falle einer Scheidung einer binationalen Ehe regelt die sogenannte Rom-III-Verordnung. Demnach ist das Gericht am letzten gemeinsamen Wohnort der Ehepartner für die Scheidung zuständig.
Kann man die Ehe auch „doppelt“ scheiden lassen: im Heimatland und in Deutschland? Das geht so einfach nicht, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm am 06. Januar 2017 (AZ: 3 UF 106/16) zeigt:
In diesem Fall hatte ein Paar in seiner Heimat Libanon geheiratet, dann aber in Deutschland gelebt. Nach der Trennung reichte die Frau im Libanon die Ehescheidung ein. Ein knappes halbes Jahr später stellte sie auch in Deutschland einen Scheidungsantrag.
Rechtshängigkeit - Zwei Scheidungsverfahren parallel sind rechtswidrig
Bei ihrer Anhörung beim deutschen Familiengericht teilte die Frau mit, dass im Libanon noch ein Scheidungsverfahren laufe. Das deutsche Gericht schied die Ehe trotzdem. Der Noch-Ehemann, der keine Scheidung wollte, legte dagegen Beschwerde ein und war – vorläufig – erfolgreich: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hob den Beschluss auf und verwies das Scheidungsverfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurück.
Das deutsche Gericht habe die Ehe nicht scheiden können, da zeitgleich im Ausland ein zweites Scheidungsverfahren laufe. Diese so genannte doppelte Rechtshängigkeit sei nach deutschem Recht verboten.
3) Sorge- und Umgangsrecht: letzter Aufenthaltsort des Kindes entscheidet
Die Zuständigkeit in sorge- und umgangsrechtliche Fragen wird innerhalb Europas für europäische Staatsbürger durch die Brüssel-IIa-Verordnung geregelt. Entscheidend ist demnach der letzte Aufenthaltsort des Kindes. Ist dieser nicht sicher oder hat er sich in der jüngsten Vergangenheit oft geändert, entscheidet in letzter Konsequenz die Staatsangehörigkeit des Kindes. Zurück zu unserem deutsch-französischen Paar: Würden sich die beiden mit Blick auf Sorge- und Umgangsrecht nicht einig, müsste ein Gericht in Wanne-Eickel entscheiden, da die beiden Kinder dort leben.
4) Unterhalt: Wohnort des Unterhaltsberechtigten wichtig
Angenommen, die Eltern sind getrennt und leben in unterschiedlichen europäischen Ländern – welches Gericht entscheidet über den Unterhalt? „Hier gilt der Wohnort des Unterhaltsberechtigten als Basis“, erklärt Rechtsanwalt Uecker. Wie hoch der Unterhalt ausfalle und welche Vereinbarungen sonst noch getroffen würden, komme natürlich auf die persönliche Situation der Scheidungswilligen an.
5) Umzug in ein anderes Land: Familien sollten Rechtswahl treffen
Nicht nur für binationale Familien sondern für alle, die in ein anderes Land auswandern, ist wichtig: „Anders als viele vermuten, nimmt man das Recht des vorherigen Wohnorts oder des Landes, dessen Staatsangehörigkeit man besitzt, nicht mit“, warnt der Rechtsanwalt aus Hamburg. Bei allen juristischen Fragestellen gelte das Recht des derzeitigen Wohnortes – solange nichts anderes vereinbart sei.
„Es ist allerdings möglich, eine Rechtswahl zu treffen“, erklärt der Familienrechtsexperte. Wer in ein anderes europäisches Land auswandere, könne festlegen, in manchen Aspekten die deutsche Rechtsordnung mitzunehmen. Das besage die europäische Rechtsordnung.
Was klingt wie eine kleine Formalie, kann große Auswirkungen haben. Denn auch wenn Eheschließungen international gültig sind, trifft das auf Eheverträge noch lange nicht zu. Internationale Paare, die einen Ehevertrag schließen wollen, sollten sich unbedingt im Vorfeld von einem Experten beraten lassen – andernfalls droht bei der Scheidung womöglich ein böses Erwachen. Ob der Ehevertrag in einem anderen Land gültig ist, hängt übrigens nicht davon ab, ob er notariell beglaubigt wurde.
Eine Rechtswahl zu treffen kann auch erbrechtlich relevant sein. Denn auch wenn die Regelungen zum Erbrecht innerhalb Europas teilweise angeglichen wurden, gibt es immer noch Unterschiede. Wer einen Partner aus einem anderen Land heiratet oder auswandert – egal ob allein oder mit der binationalen Familie – sollte sich rechtzeitig informieren und entsprechende Verfügungen treffen.
6) Namensrecht: Rechtswahl ebenfalls wichtig
Auch bei der Frage, welchen Nachnamen ein Kind tragen soll, ist es für binationale Familien wichtig, eine Rechtswahl zu treffen. Entscheiden sich binationale Familien zum Beispiel für das deutsche Namensrecht, dürfen die Kinder keine Doppelnamen tragen. Wurde keine Rechtswahl getroffen, gilt im Zweifel das inländische Recht des Landes, in dem das Kind geboren wurde.
Fazit: Binationale Paare beziehungsweise Familien müssen bei allen familienrechtlichen Fragestellungen zunächst klären, in welchem Land die Gerichte zuständig sind. In manchen Aspekten können die Familien auch eine Rechtswahl vornehmen. In jedem Fall ist es sinnvoll, sich frühzeitig anwaltlich beraten zu lassen.
Sie wollen mit ihrer Familie auswandern? Sie leben in einer binationalen Partnerschaft und haben Fragen zu Eheschließung, Scheidung, Unterhalt oder Sorgerecht? Ein Anwalt kann unter anderem folgendes für Sie tun:
• Ihnen dabei helfen, einen Ehevertrag aufzusetzen, der in beiden Ländern gültig ist,
• Sie in sorge- und umgangsrechtlichen Fragen beraten
• Sie dabei unterstützen, die richtige Rechtswahl zu treffen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 26.09.2017
- Autor
- vhe