
Was war geschehen? Die Antragstellerin war 1944 in der früheren DDR geboren und dort aufgewachsen. An ihrem 18. Geburtstag hatte ihr ihre Mutter offenbart, dass sie mit S., der in Westdeutschland lebte, in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt habe und S. ihr Vater sei. Sie ist deshalb von ihrer Mutter in den Nachkriegsjahren immer wieder zur Familie des S. nach Westdeutschland gereist, dort hatte sie engen Kontakt zur Mutter des S. Die Antragstellerin trug vor, S. sei immer davon ausgegangen, dass er ihr Vater sei. Die Vaterschaft war aber nie gerichtlich festgestellt worden.
Exhumierung zur DNA-Feststellung
S. ist 2011 verstorben. Die Frau begehrte als Tochter ein Teil des Erbes von S. Der eheliche Sohn des S. hat die Einwilligung in die Exhumierung zur Entnahme einer Gewebeprobe und Bestimmung der DNA, verweigert. Der eheliche Sohn des S. hatte in 1. Instanz vor dem Amtsgericht (AG) Dresden gewonnen, dagegen hatte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden die Exhumierung der Leiche zur DNA-Feststellung angeordnet. In diesem Verfahren hatte das OLG in einem Zwischenbeschluss die Weigerung des Sohnes des S. für unberechtigt erklärt. Der Sohn des S. hat Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt. Der BGH bestätigte mit seinem Beschluss die Entscheidung des OLG Dresden.
Nach Auffassung des BGH enthielten die Angaben der Antragstellerin ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass sie die Tochter des S. sei. Der eheliche Sohn des S. hätte die Exhumierung des Vaters verhindern können, wenn er selbst einer DNA-Probe zugestimmt hätte, diese hatte er aber verweigert – ein Schelm, der Böses dabei denkt?
Recht auf Wissen um Herkunft
Die Antragstellerin habe ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, ihre Abstammung zu kennen, dieses Recht habe Vorrang vor der Totenruhe. Der Kenntnis der eigenen Abstimmung komme besondere Bedeutung zu. Es seien keine Gründe erkennbar, dass in dem vorliegenden Fall eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Vaters dem Recht auf Kenntnis der Abstammung vorgehe.
Die offensichtlichen Beweggründe der Antragstellerin, nämlich auch Erbe des Vaters zu werden, ließen keine andere Bewertung zu, die Teilhabe am väterlichen Erbe sei legitimes Interesse eines Kindes. Auch nicht die Tatsache, dass die Antragstellerin schon lange Jahre von der möglichen Vaterschaft informiert gewesen sei, rechtfertige keine andere Bewertung.
Dem BGH ist zuzustimmen. Der Sohn des S. hätte durch eine eigene DNA-Analyse die Exhumierung verhindern können. Jeder Mensch hat das Recht, Sicherheit über seine Herkunft zu erhalten. Dass der Sohn des S. damit sein Erbe ev. teilen muss, kann keine Rolle spielen. Wäre bereits Jahre früher die Vaterschaft festgestellt worden, wäre dies auch der Fall gewesen.
Viola Lachenmann ist Fachanwältin für Familienrecht und berät zudem als Fachanwältin für IT-Recht im Internetrecht, Softwarerecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. Sie betreibt einen eigenen Blog, der unter www.kanzlei-lachenmann.de/blog aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Frau Lachenmann regelmäßig zum Thema Familienrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 28.01.2015
- Autor
- Viola Lachenmann