Auch wenn öffentliche Stellen wie etwa das Landesjugendamt die Adoption vermittelt haben, haften womöglich die Adoptierenden. War den Betroffenen das Risiko bewusst und haben sie das Kind vorher kennengelernt, müssen sie für die Unterbringung des Kinds in Deutschland zahlen – unter Umständen auch für sechs Jahre. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juli 2019 (AZ: 7 U 151/18).
Der Fall: Paar möchte Kind aus Thailand adoptieren
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall wollten die Kläger ein Kind aus Thailand adoptieren. Sie gaben bei dem Antrag an, dass sie kein Kind mit starken psychischen Problemen beziehungsweise Missbrauchserfahrung wünschten. Sie sähen sich dem nicht gewachsen.
Im Adoptionsvorschlag des Landesjugendamts war dann angegeben, dass das betreffende Kind Angst vor Fremden und einigen „fremdartigen Sachen“ habe. Das Paar lernte das Kind in einem Kinderheim in Thailand kennen und verbrachte mehrere Tage mit ihm.
Auslandsadoption: Paare müssen Erklärung zur Kostenübernahme unterzeichnen
Trotz Auffälligkeiten wie Beißen, Schreien und Kratzen nahmen sie das Kind mit. Beim Jugendamt mussten sie noch eine Erklärung zum Schutz von Kindern bei Auslandsadoption unterschreiben. Der Urkundsbeamte wies darauf hin, dass die Angelegenheit „teuer“ werden könne. In Thailand musste das Paar noch ein „Memorandum of Agreement“ unterzeichnen. Darin erklärten sie sich damit einverstanden, dass bei einem Scheitern der Adoption das Landesjugendamt das Kind anderweitig in Deutschland unterbringen könne. Die Rückführung nach Thailand solle nur die letzte Möglichkeit sein.
Gut zwei Wochen, nachdem die Eltern und das Kind nach Deutschland gereist waren, erklärten die Adoptierenden, dass sie sich nicht in der Lage sähen, die Adoptionspflege weiterzuführen. Das Kind verhalte sich auffällig. Rund einen Monat nach der Rückkehr entschieden sie, die Pflegezeit gänzlich zu beenden. Das Jugendamt brachte das Kind in eine Wohneinrichtung. Die Kosten von über 100 Euro pro Tag sollte das Paar bezahlen – für insgesamt sechs Jahre.
Dagegen klagten sie. Das Kind hätte aufgrund seiner Auffälligkeiten nicht vermittelt werden dürfen. Auch seien sie nicht ausreichend über das Kostenrisiko aufgeklärt worden. Sie seien von möglichen Kosten für sechs Monate ausgegangen.
Gericht: Fast-Adoptiveltern müssen für Unterbringung zahlen
Zwei Instanzen entschieden, dass das Paar die Kosten für die Unterbringung des Kinds sechs Jahre lang tragen muss. Auch das Oberlandesgericht konnte keine Amtspflichtverletzung feststellen. Angst vor Fremden sei bei einem fünf Jahre alten Kind normal. Dies sei keine psychische Störung. Andere Anhaltspunkte, die gegen die Adoption gesprochen hätten, hätte es nicht gegeben.
Das Gericht bewertete auch, dass die beiden Adoptionswilligen mit dem Kind in Thailand mehrere Tage verbracht hatten. Die Verhaltensauffälligkeiten in Form von Anspucken, Treten, Beißen und Schreien hätten die Kläger nach eigenen Angaben schon in Thailand mitbekommen. Demnach könnten sie sich jetzt nicht für den Abbruch der Adoptionspflege auf die Wutanfälle des Kinds berufen.
Auch hätten sie nicht von einer kurzen Haftung für das Kind ausgehen dürfen. Spätestens mit Unterzeichnung des „Memorandum of Agreement“ hätte ihnen bewusst sein müssen, dass die Rückführung des Kinds nach Thailand nur das letzte Mittel sein sollte. Vorzugsweise sollte das Kind in Deutschland untergebracht werden. Demnach haften die Kläger für sechs Jahre für die Unterbringung des Kinds.
- Datum
- Aktualisiert am
- 30.04.2020
- Autor
- red/dpa