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Kindeswohl

Darf eine Jugendliche eine Beziehung zu einem viel älteren Mann haben?

Darf ein junges Mädchen mit einem deutlich älteren Mann zusammensein? © Quelle: Caiaimage/Paul Viant/gettyimages.de

Bei famili­en­recht­lichen Entschei­dungen, die Kinder betreffen, steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. Doch führt das auch dazu, dass Eltern, die die Beziehung eines jungen Mädchens zu einem drei Jahrzehnte älteren Mannes für falsch halten, zurück­stehen müssen?

Wie weit geht der Schutz von Kindern und Jugend­lichen? Was bedeutet Kindeswohl? Und welches Gewicht hat die Meinung von Kindern oder Jugend­lichen in bestimmten Situationen?

Vor diese Fragen gestellt sah sich im März 2016 das Branden­bur­gische Oberlan­des­gericht. Über den zugrunde liegenden Fall und die Entscheidung des Branden­bur­gischen Oberlan­des­ge­richts berichtet die Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) (24. März 2016, AZ: 9 UF 132/15).

Der Fall: Das 15-jährige Mädchen hatte eine Beziehung mit einem über dreißig Jahre älteren Mann. Die Eltern der Jugend­lichen versuchten mit aller Macht, den Teenager vom Freund zu trennen. Sie untersagten ihrer Tochter, den Mann zu treffen. Das junge Mädchen hielt jedoch gegen alle Widerstände an der Beziehung zu dem Mann, ihrem Freund, fest.

So setzte die Jugendliche sich heimlich mit ihrem Freund ab. Sie und der Mann wurden dann in Südfrankreich aufgegriffen. Nach der Rückkehr gab es eine Vielzahl von Gesprächs­runden und den Versuch einer Famili­en­therapie – ohne Erfolg. Das junge Mädchen lehnte eine Rückkehr zu den Eltern ab. Am 10. Juli 2015 tauchte die Jugendliche erneut unter. Seitdem hat sie sich der Unterstützung des Verfah­rens­bei­stands versichert, der sie auch in diesem Gerichts­ver­fahren unterstützte.

Danach war der Teenager nicht mehr nach Hause zurück­gekehrt. Das junge Mädchen hielt ihre wechselnden Aufent­haltsorte vor den Eltern weitest­gehend geheim. Im Sommer erreichten die Eltern für einige Wochen die Unterbringung ihrer Tochter in der Psychiatrie.

Kinder und Jugendliche: Wann ist das Kindeswohl gefährdet?

Das Gericht lehnte das von den Eltern geforderte Kontakt- und Näherungs­verbot für den Freund ihrer Tochter ab. In der Tat würden dem jungen Mädchen aus dem eskalierten Konflikt Gefahren für ihr Wohl drohen. Die Jugendliche sei in ihrer Entwicklung massiv gefährdet. Der Teenager habe durch den Konflikt mit ihren Eltern jeden gesicherten Halt in ihrer Familie, ihr Zuhause und ihr gesamtes vertrautes soziales Umfeld verloren.

Wohl von Kindern und Teenagern: Wann greifen Kontakt- und Näherungs­verbote?

Das Kontakt­verbot für den Freund sei jedoch kein angemessenes und wirksames Mittel dagegen. So müsse dabei auch beachtet werden, dass ein solches Kontakt- und Näherungs­verbot für den Freund indirekt auch als Verbot für das junge Mädchen wirke. Für den Reifeprozess eines heranwach­senden Jugend­lichen sei der Kontakt zu anderen und insbesondere zum anderen Geschlecht unverzichtbar.

Dabei müssten die Jugend­lichen ihren eigenen Neigungen folgen dürfen. Man verlange von einem Erwachsenen keine Begründung, warum er jemand möge oder liebe und mit diesem eine Liebes­be­ziehung führe. Und genauso wenig könne ein Teenager dazu verpflichtet werden.

Die Erziehung zur Mündigkeit erfordere, dass die Eltern ihr Bestim­mungsrecht zugunsten bloßer Kontrolle kindlicher Selbst­be­stimmung zurück­nähmen. Anderenfalls könne dies das Wohl des Kindes beeinträchtigen.

Das Gericht vertrat die Ansicht, dass es sich bei dieser Beziehung für das junge Mädchen um eine „schick­salhafte Konflikt­si­tuation“ handele. Die Entscheidung der Jugend­lichen sei als ein Akt der Selbst­be­stimmung eines heranwach­senden Kindes ein hohes Gewicht beizumessen. Der Kindeswille könne hier nicht übergangen werden, ohne dass dadurch das Kindeswohl gefährdet würde.

Die Jugendliche habe ihren Wunsch, die Beziehung zu ihrem Freund weiter zu leben, „zielori­entiert, erlebnis­ge­stützt und stabil“ geäußert. Die Richter sahen darin eine sehr bewusste Eigenent­scheidung des Teenagers, die zu beachten sei.

Datum
Aktualisiert am
19.12.2016
Autor
red/dpa
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Themen
Eltern Jugendliche Kinder Kindeswohl

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