Die meisten Eltern treibt die Sorge um die Zukunft ihres Kindes um. Dabei fragen Mütter und Väter sich auch, was mit ihrem Kind oder ihren Kindern passiert, wenn sie selbst etwa durch eine Krankheit oder bei einem Unfall sterben. Ein schlimmer Gedanke, der für viele Familien und Kinder aber real ist: In Deutschland leben rund 800.000 Kinder, die Halbwaisen oder Vollwaisen sind, die also einen oder beide Elternteile verloren haben.
Ein solcher Verlust bringt für die Kinder Trauer mit sich – und eine rechtlich teils unklare Lage. Denn nach dem Tod von Mutter, Vater oder beiden Elternteilen kann fraglich sein, wer die Vormundschaft und das Sorgerecht für das Kind übernimmt. Oft müssen das Jugendamt oder ein Gericht diese Frage klären.
Tod eines Elternteils und gemeinsames Sorgerecht: Erhält der andere Elternteil die Vormundschaft und das Sorgerecht?
Wenn die Eltern das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam ausgeübt haben, ist dessen rechtliche Lage nach dem Tod eines der Elternteile am klarsten. „In solchen Fällen bleibt das Sorgerecht für das Kind bei dem anderen Elternteil“, sagt der Oldenburger Rechtsanwalt Burkhard Bühre von der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Diese Regel gilt unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet, geschieden oder ein Paar waren, das in „wilder“ Ehe zusammenlebte. Wesentlich ist, dass die beiden Eltern des Kindes sorgeberechtigt waren und das Sorgerecht gemeinsam ausgeübt haben.
Wenn der verstorbene Elternteil sich allein um das Kind gekümmert hat und das alleinige Sorgerecht innehatte, überträgt das Familiengericht nach dessen Ableben dem anderen Elternteil das Sorgerecht. Zuvor prüft es jedoch, ob diese Entscheidung im Sinne des Kindes wäre.
Sorgerecht bei Todesfall beider Eltern: Bekommen Verwandte automatisch das Sorgerecht?
Viel unklarer kann die Situation sein, wenn beide Elternteile sterben. Denn dann ist erst einmal offen, wer das Sorgerecht für das Kind bekommt. Das Sorgerecht geht nicht einfach auf Verwandte wie Großeltern, Onkel oder Tanten über. „Das Sorgerecht bekommt auch nicht ‚automatisch‘ der Lebensgefährte oder Stiefvater, wenn das Kind mit diesem in einer Patchwork-Familie gelebt hat“, sagt Bühre.
Tod der Mutter: Kinder zu Vater oder Großeltern?
Großeltern können einen Antrag stellen, dass die Enkel bei ihnen leben, wenn deren Mutter stirbt. Das Recht des anderen leiblichen Elternteils geht aber in der Regel vor. Ein Antrag der Großeltern ist nur unter bestimmten engen Voraussetzungen erfolgreich. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Dortmund müssen die Kinder über einen längeren Zeitraum bei ihren Großeltern gelebt haben. Gemeinsame Urlaube, Kurzurlaube am Wochenende oder einige Tage Aufenthalt reichen jedoch nicht aus. Ebenso nicht der Aufenthalt von einem Monat während des Krankenhausaufenthaltes vor dem Tod der Mutter. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund vom 5. Oktober 2016 (AZ: 113 F 4850/16). Die Arbeitgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über das Urteil (Quelle: red/dpa)
Todesfall beider Eltern: Sorgerecht für Paten?
Auch die Taufpaten eines Kindes bekommen nicht automatisch das Sorgerecht für das Kind. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung haben Taufpaten heutzutage nur noch eine kirchliche Funktion, keine rechtliche. Während Paten sich früher im Todesfall der Eltern tatsächlich um ihr Patenkind kümmerten, ist das nicht mehr üblich oder selbstverständlich.
Jugendamt und Familiengericht: Bestimmen sie nach dem Tod der Eltern einen Vormund für das Kind?
Wenn also beide Elternteile sterben, kann es passieren, dass das Jugendamt oder das Familiengericht einen Vormund für das verwaiste Kind bestimmen muss.
Vormundschaft für Kind nach dem Tod der Eltern: Was ist eine Sorgerechtsverfügung?
Wenn Eltern ihrem Kind solche, oft langwierigen Verfahren ersparen oder diese verkürzen wollen, sollten sie zu ihren Lebzeiten eine Sorgerechtsverfügung verfassen.
Sorgerechtsverfügungen sind besondere Formen von Testamenten, in ihnen legen Eltern fest, wer die Vormundschaft für ihr Kind in ihrem Todesfall übernehmen soll.
„In einer Sorgerechtsverfügung kann man einen Vormund und einen Ersatz-Vormund für das Kind aus der Familie oder dem Freundeskreis nennen“, sagt Rechtsanwalt Burkhard Bühre. Denkbar ist auch, einen Vormund zu benennen, der die Personensorge übernimmt und eine Person, die sich um die Vermögenssorge kümmert (siehe weiter unten).
Aber: Bevor man einer oder zwei Personen die Vormundschaft in der Sorgerechtserklärung anträgt, sollte man mit diesen Personen sprechen und deren Zustimmung einholen. Denn die Vormundschaft für ein Kind zu übernehmen, ist eine der wohl verantwortungsvollsten Aufgaben für Erwachsene überhaupt.
Sorgerechtsverfügung nach Todesfall der Eltern: Wer kann Vormund für ein Kind werden?
Eltern sollten sich gut überlegen, welchen Personen sie die Vormundschaft für ihr Kind übertragen möchte: Die Personen müssen in jedem Fall für diese Aufgabe geeignet sein. Auch müssen sie volljährig, aber nicht zu alt sein, damit sie die Vormundschaft für das Kind längere Zeit ausüben können, mindestens bis zur Volljährigkeit des Kindes.
Wenn ein Elternteil stirbt oder beide Eltern sterben: Wie setzt man eine Sorgerechtsverfügung auf?
Im Internet finden sich zahlreiche Muster und Formulare für Sorgerechtsverfügungen. Aber in der Regel reicht es aus, seine Wünsche schriftlich niederzulegen und das Dokument zu unterschreiben. Wichtig ist, dabei bestimmte formale Vorgaben einzuhalten. Diese sind mit denen identisch, die man beim Aufsetzen eines Testaments beachten muss.
Außerdem sollte man das Dokument so aufbewahren, dass es im Ernstfall schnell gefunden werden kann. Es bietet sich daher an, die Sorgerechtsverfügung entweder dem Vormund zu geben, einem Notar oder sie beim Nachlassgericht zu hinterlegen.
Ein Kind absichern: Kann man in einer Sorgerechtsverfügung Personen ausschließen?
Man kann in einer Sorgerechtsverfügung bestimmte Personen ausschließen und widersprechen, dass diese das Sorgerecht erhalten. Das könnten etwa Alleinerziehende tun, die dem leiblichen Elternteil des Kindes, also der Mutter oder dem Vater, kein Sorgerecht einräumen wollen, weil dieses sich beispielsweise jahrelang nicht um das Kind gekümmert hat.
Kind für Todesfall der Eltern absichern: Prüft das Familiengericht die Sorgerechtsverfügung und ob sie Kindeswohl entspricht?
Ob Gerichte solchen Vorgaben immer nachkommen, ist aber nicht garantiert. „Das Familiengericht prüft jede Sorgerechtsverfügung genau und wägt ab, ob sie dem Kindeswohl entspricht“, sagt Burkhard Bühre. Bei berechtigten Zweifeln am Inhalt der Sorgerechtsverfügung, daran, ob sie dem Kindeswohl entspricht oder am festgelegten Vormund (siehe oben), wird das Gericht den Bestimmungen nicht nachkommen. Deshalb ist es besonders wichtig, Sorgerechtsverfügungen gut zu begründen, damit das Gericht die Entscheidung nachvollziehen kann. Dabei kann ein Rechtsanwalt für Familienrecht helfen.
Für Eltern lohnt es sich in jedem Fall, eine Sorgerechtsverfügung zu verfassen und die Chance zu ergreifen, ihre Wünsche zu äußern und gerichtliche Entscheidungen zu beeinflussen. In jedem Fall vereinfacht eine solche Sorgerechtsverfügung, das Sorgerecht für sein Kind zu klären und eine Entscheidung zum Wohl des Kindes zu treffen.
Tod der Eltern: Wie kann man seine Kinder finanziell absichern?
Wenn ein oder beide Elternteile sterben, erhalten die Kinder eine Halbwaisen- oder eine Vollwaisenrente. Auch Kindergeld steht ihnen mindestens bis zu ihrem 18. Geburtstag weiter zu. Zusätzlich kann man seine Kinder auch etwa über eine Lebensversicherung finanziell absichern. Ob etwa eine Risikolebensversicherung, eine Kapitallebensversicherung oder andere Versicherungen in Frage kommen und wie hoch die Versicherungssumme sein sollte, hängt vom Alter der Kinder ab, aber natürlich auch von den eigenen finanziellen Möglichkeiten. Über die Höhe der Versicherungssumme sollte man sich Gedanken machen, man sollte sich aber zuvor gut über Versicherungsprodukte informieren und beraten lassen.
Tod der Eltern: Müssen Großeltern Unterhalt für die Enkel zahlen?
„Viele Großeltern wissen nicht, dass sie im Falle des Falles Unterhalt für ihre Enkel zahlen müssen“, erklärt Rechtsanwalt Bühre. Diese Unterhaltspflicht haben aber nur die Oma und der Opa, für andere Verwandte gilt diese nicht. Die Höhe des Unterhalts hängt vom Einkommen der Großeltern, also ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, ab. Großeltern steht außerdem ein Selbstbehalt in einer gewissen Höhe zu.
Tod der Eltern: Wer verwaltet das Vermögen und Erbe der Kinder?
Um das Vermögen zu sichern und den Kindern später eine gute Ausbildung zu sichern, sollte man in der Sorgerechtsverfügung eine Person benennen, die die Vermögenssorge für das Kind ausübt, bis dieses mindestens volljährig ist. Die Person, die man für diese Aufgabe bestimmt, übernimmt also die Funktion eines Testamentsvollstreckers und kümmert sich um das Erbe der Kinder, also das Geld, die Immobilien oder was sonst an Vermögen und Eigentum vorhanden ist.