Mütter und Väter haben mehr Ausgaben als Kinderlose. Sie werden deswegen vom Staat finanziell entlastet, unter anderem mit dem Kindergeld. Auch Familien oder Elternteile, die im Ausland leben, können Anspruch darauf haben. Die Anwaltauskunft fasst die wichtigsten Fakten zum Kindergeld im Ausland für die drei gängigsten Konstellationen zusammen.
Ob in Deutschland oder im Ausland: Kindergeld wird von der Familienkasse gezahlt. Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigte können entweder steuerlich von einem Kinderfreibetrag profitieren oder Kindergeld als Sozialleistung erhalten. Der Anspruch auf Kindergeld ergibt sich also entweder nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Reicht man eine Steuererklärung ein, vergleicht das Finanzamt automatisch, welche Finanzhilfe für die Eltern günstiger ist. Dies ist wiederum vom Einkommen abhängig.
1. Fall: Familie lebt dauerhaft im Ausland
Auch wer dauerhaft im Ausland lebt, kann deutsches Kindergeld bekommen. Ob ein Anspruch besteht, hängt vom unter anderem vom steuerlichen Status der Eltern ab. „Leben deutsche Staatsangehörige vorübergehend oder längerfristig im Ausland, kommt es darauf an, ob sie in Deutschland noch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind oder entsprechend behandelt werden“, erklärt Rechtsanwalt Prof. Ronald Richter, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Sei das der Fall, erhielten sie Kindergeld nach EStG.
Beschränkt steuerpflichtig in Deutschland: Kindergeld im Ausland nach BKGG
Wer in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, kann im Ausland in manchen Fällen ebenfalls Kindergeld erhalten. „Kindergeld ist dann eine Sozialleistung nach dem BKGG“, erklärt der Rechtsanwalt aus Hamburg. Dazu müssten allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. So muss der Antragsteller:
- in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit stehen, also arbeitssuchend sein,
- als Entwicklungshelfer oder Missionar tätig sein,
- als Beamter eine bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene Tätigkeit ausüben,
- als Ehegatte oder Lebenspartner eines NATO-Truppenmitglieds in Deutschland leben und die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) besitzen oder
- in Deutschland beschäftigt oder selbständig erwerbstätig sein oder Rente nach deutschen Rechtsvorschriften beziehen und in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR beziehungsweise in der Schweiz leben.
Ob eine Familie im Ausland Anspruch auf Kindergeld hat, hängt auch vom Wohnsitz des Kindes ab. So können Eltern für ihre Kinder nur Kindergeld bekommen, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der Europäischen Union oder des EWR hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Anspruch aus dem BKGG oder dem EStG ergibt. „Hat der eine Elternteil Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG und der andere Elternteil nach dem BKGG, hat der Anspruch nach dem EStG Vorrang“, fügt Rechtsanwalt Richter hinzu.
Wer Kinder hat und plant, für eine längere Zeit ins Ausland zu ziehen, sollte sich bei der Familienkasse oder dem Finanzamt informieren, welchen steuerrechtlichen Status man hat und ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht.
2. Fall: Grenzpendler
Manche fahren für eine längere Zeit ins Ausland, andere jeden Tag: In Grenzregionen pendeln viele Menschen über die Landesgrenze zu ihrem Arbeitsplatz. Wie sieht es mit dem Kindergeld für Mütter und Väter aus, die in einem Land leben und in einem anderen arbeiten? „In diesem Fall haben die Erziehungsberechtigten meist in dem Land Anspruch auf Kindergeld, in dem sie erwerbstätig sind und Sozialversicherungsbeiträge zahlen“, erklärt der Rechtsanwalt aus Hamburg. Wer Beiträge an die deutsche Sozialversicherung zahle, habe also auch Anspruch auf deutsches Kindergeld. Das gelte auch für alle anderen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld oder Rente.
Kindergeld in dem Land, in dem man in die Sozialversicherung einzahlt
Die Höhe des Kindergeldes errechnet sich dann nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften. Würde Deutschland ein höheres Kindergeld zahlen als der Staat, in dem der Arbeitgeber einen Kindergeldanspruch hat, kann der Betrag durch die Familienkasse in Deutschland aufgestockt werden. „Anders sieht es bei Selbständigen aus, die in Deutschland tätig sind und deren Familie im Ausland lebt“, warnt der Hamburger Sozialrechtler. Sind sie nicht Mitglied der deutschen Sozialversicherung, erhielten sie für ihre im Ausland lebenden Kinder kein Kindergeld.
3. Fall: Ein Teil der Familie lebt im Ausland, ein Teil in Deutschland
Sind die Eltern geschieden und die Kinder leben mit einem Elternteil im Ausland, können die Eltern für dieses Kind ebenfalls Kindergeld bekommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat kürzlich in zwei solcher Fälle entschieden.
BFH: Anspruch auf Kindergeld für im Ausland lebenden geschiedenen Partner
In einem der Fälle ging es um geschiedene Eltern mit einem gemeinsamen Sohn. Der Vater war deutscher Staatsangehöriger und wohnte in Deutschland, die Mutter polnische Staatsangehörige und wohnte mit dem Sohn in Polen. Als der Mann in Deutschland Kindergeld für seinen Sohn beantragte, lehnt die Familienkasse seinen Antrag ab. Sie war der Ansicht, dass nicht der Kläger, sondern seine geschiedene Ehefrau Anspruch auf Kindergeld habe. Dass diese in Deutschland weder über einen Wohnsitz verfüge, noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort habe, sei kein Hinderungsgrund.
Wohnsitzfiktion: Familie wird rechtlich behandelt, als lebte sie an einem Ort
Während die Vorinstanz noch zugunsten des Klägers entschieden hatte, gab der BFH der Familienkasse Recht. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der unionsrechtlichen Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit. Danach gilt die sogenannte Wohnsitzfiktion: Wenn es um Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten geht, muss die gesamte Familie so behandelt werden, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, in dem Familienleistungen beansprucht werden – in diesem Fall Deutschland.
Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, gilt rechtlich auch die geschiedene Ehefrau als Familienangehörige. Mit Blick auf den Kindergeldanspruch wird sie also so behandelt, als lebte sie mit dem Kind in Deutschland. Da nach deutschem Recht das Kindergeld vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, bei dem das Kind lebt, liegt der Anspruch auf Kindergeld bei ihr. Dass sie im Ausland lebt, ändert daran nichts (Urteil vom 4. Februar 2016, AZ: III R 17/13). Ob sie für den Sohn tatsächlich Kindergeld bekommt, muss nun die Familienkasse entscheiden.
Kindergeld im Ausland auch für Großeltern
In einem zweiten Fall zum Kindergeld im Ausland hat der BFH inhaltsgleich entschieden (Urteil vom 10. März 2016, AZ: III R 62/12). Dabei ging es um einen in Deutschland wohnenden Kläger, dessen Töchter bei ihrer Großmutter in Griechenland lebten. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der seine Enkelkinder in seinen Haushalt aufgenommen hat. Auch hier wurde die Großmutter rechtlich so behandelt, als lebte sie mit ihren beiden Enkeltöchtern in Deutschland. In der Folge liegt der Anspruch auf Kindergeld bei ihr statt beim Vater der Kinder.
Beratung zum Kindergeld im Ausland? Anwalt für Sozialrecht kontaktieren
Sie haben Fragen zum Kindergeld im Ausland oder befinden sich wegen des Kindesgelds in einem Konflikt mit ihrem geschiedenen Ehepartner? Wenden Sie sich an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt für Sozialrecht. Diese können Sie beraten und dabei unterstützen, mit Blick auf Kindergeld im Ausland das richtige Vorgehen zu wählen. Anwälte in ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 10.08.2016
- Autor
- vhe